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Berlin Fidschitown (German Edition)

Berlin Fidschitown (German Edition)

Titel: Berlin Fidschitown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D B Blettenberg
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Rätsel war, denn die Kugeln hagelten größtenteils in den Rauchfang und unter die Decke. Romy Asbach ließ sich vor dem Backofen auf die Kacheln sacken und vertraute auf den Herdblock. Farang erwiderte das Feuer. Er erwischte den Schützen schon mit der ersten Garbe, tilgte Gelborange und fügte dem Weiß ein Purpurrot hinzu.
    Der Koch starb an seinem Arbeitsplatz. Der Dressman nutzte seine zweite Chance an diesem Abend und fiel Farang an, noch bevor der die Flinte nachladen konnte. Farang taumelte zurück und schlug mit dem Hintern gegen die Herdstelle, während der Gegner einen Fußtritt in seine Leber bolzte, der ihn fast betäubte. Irgendwie bekam er die Haare des Vietnamesen zu packen, zog den Kopf näher zu sich und dann unerbittlich auf die Gasflamme zu – bis er den hornigen Gestank verkokelter Haare roch. Der Vietnamese brüllte vor Schmerz auf und wurde urplötzlich ganz schlaff.
    Bevor Farang sich über die abrupte Wirkung seiner Zündelei wundern konnte, sah er das Blut an der Messerklinge, die Romy Asbach aus dem Rücken des Mannes zog.

43
    „Es begab sich vor langer Zeit, dass die Heimat unserer Vorfahren von den Chinesen beherrscht wurde“, begann die Konkubine den Vortrag jenes Märchens, das stets Höhepunkt und Abschluss des Rituals war.
    „Die Ming-Dynastie unterdrückte unser Volk. Die Zwangsarbeit wurde härter, und der geforderte Tribut immer höher. Dann brach im ganzen Land eine große Hungersnot aus, und in der Provinz Thanh Ho erhob sich das geschwächte Volk gegen die fremden Herren. Der Anführer der Unterdrückten war ein gewisser Le Loi ...“
    An dieser Stelle legte sie stets eine Pause ein und wartete gehorsam auf die Erlaubnis, weiterlesen zu dürfen. Das Ritual war ihr vertraut – vom Präparieren der Elfenbeinpfeife bis zur abschließenden Massage. Manchmal verlangte der Oberste Befehlshaber auch von ihr, sich nackt zu ihm zu legen und mit ihm zu rauchen. Sein Alter und das Opium ließen mehr nicht zu. Sie liebte das Opium. Es war süß und hinterließ ein scharfes Aroma auf dem Gaumen, das lange nachklang. Sie liebte es, die Pfeife vorzubereiten, die kleine bruzzelnde Kugel aus klebriger Opiumpaste, die nicht größer als eine ihrer Fingerkuppen war, auf einem Metalldorn immer und immer wieder in der Flamme der alten Öllampe zu drehen, bis sie gar war und in den Pfeifenkopf kam. Sie liebte die kleinen bläulichen Wolken, die langsam aufstiegen, wenn man zog und paffte, und das Knistern der Kerzenflammen, die den Rauch auffraßen. Noch mehr aber liebte sie die Wirkung der Droge, eine Art körperloser Zufriedenheit, als löse man sich, ganz ohne Visionen, auf. Und doch war ihr dabei manchmal so, als habe sie den altvertrauten Geruch von Frangipani und Hibiskusblüten in der Nase und könne das beruhigende Zirpen der Zikaden hören.
    Sie saß im Stuhl des Obersten Befehlshabers. Er selbst ruhte, nur in einen Seidensarong gehüllt, auf der Liege, rauchte und lauschte mit geschlossenen Augen dem Klang des magischen Namens nach.
    Le Loi ...
    Der See des zurückgegebenen Schwertes war sein Lieblingsmärchen.
    „Lies weiter“, befahl er schließlich und überließ sich ganz dem Opium und dem Märchen, das sie mit leiser und monotoner Stimme weiter vortrug.
    „Doch Le Loi und seine Widerstandskämpfer waren so abgemagert und so schlecht bewaffnet, dass sie den Sieg nicht erringen konnten. Niederlage folgte auf Niederlage – bis der Herrscher des Wasserreiches, Lac Long Quan, ein Erbarmen mit den Erniedrigten fand und sich entschloss, den Lauf der Dinge zu beeinflussen ...“
    „Genug“, ordnete er an. „Leg dich zu mir.“
    Während sie aus ihrem Sarong schlüpfte und sich zu ihm legte, dachte sie an die fünf verstorbenen Landsleute unter dem Eis im See und hoffte, der Herrscher des Wasserreiches erbarme sich auch ihrer, und vor allem des einen, der ihr Geliebter gewesen war, bis die Schergen des Tunnelhauptmanns ihn ermordet hatten.
    Der Oberste Befehlshaber reichte ihr die Pfeife und sie zog daran. Da war er wieder, dieser altbekannte Zustand absoluter Ruhe. Aber noch traute sie sich nicht, dem Alten neben ihr vom Verbleib seiner toten Männer zu berichten. Er mochte es nicht, wenn Konkubinen von Dingen wussten, die sie nichts angingen. Wer aber war dieser Mann, der versucht hatte, ihr über das Eis zu folgen? Sie hatte ihn nicht genau erkannt, als sie sich, auf seinen Zuruf hin, kurz umgedreht hatte, um dann weiter zu fliehen. Aber auf seltsame Weise war ihr die Gestalt

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