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Berlin Fidschitown (German Edition)

Berlin Fidschitown (German Edition)

Titel: Berlin Fidschitown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D B Blettenberg
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auftauchen, aber keine, an denen sie sich auf Dauer aufhalten. Wir wissen nicht, wo sie sich verkrochen haben, von wo aus sie operieren. Wir können dieses Wasserloch wie Großwildjäger belauern, aber wenn uns jemand ins Visier kommt, ist es wieder nur eine einzelne Figur, die auch unter Folter dichthalten würde. Hättest du die Frau lebend erwischt und wärst ihr gefolgt, hätte sie dich vermutlich in den Bau geführt, aus dem sie gekrochen kam.“ Sie schlug mit der flachen Hand auf die Sessellehne. „So ein Mist!“
    „Welche strategischen Punkte sind außerdem noch bekannt?“
    „Nicht viele. Der Vietnamesenmarkt, den du schon kennst. Die Villa, in der Großvater residiert, wenn er nicht im Gemüsestand hockt. Alles bekannte Oberfläche. Nichts davon lässt sich ausreichend vernetzen. Nichts führt zum Ersten Vorsitzenden.“
    „Hast du schon mal was von einem Captain oder Hauptmann mit dem Spitznamen Anh Ham gehört?
    „Anh Ham?“
    „Heißt so viel wie Bruder Tunnel. Er hat für den Vietcong gekämpft, im Tunnelsystem von Cu Chi. Einige dieser Stollen führten bis unter die Außenbezirke von Saigon.“
    „Hört sich ganz nach McLenin an.“
    „McLenin?“
    „Neumodisch für Marx-Lenin. McLenin ist so eine Art Märchenfigur unter den hiesigen Vietnamesen. Der Drache in seiner Höhle. Alle reden von ihm. Keiner hat ihn gesehen. So eine Art Robin Hood für Fidschis. Von ihm habe ich leider keine Fotografie. Der Mann ist ein Phantom – bis auf die regelmäßigen Andeutungen, die sich auf ihn beziehen, in Vernehmungs- und Gerichtsprotokollen, und auch völlig Unbescholtene reden über ihn wie über den Weihnachtsmann oder den Osterhasen. Scheint eine Menge Respekt zu genießen. McLenin hier, McLenin da, wenn McLenin das wüsste, wenn McLenin kommt und so weiter. Der Typ muss so eine Art Schutzheiliger sein. Wahrscheinlicher ist: Er existiert gar nicht. Die Vietnamesen sind nämlich ansonsten nicht besonders auskunftsfreudig, wenn es um reale Personen geht.“
    „Habt ihr Tunnel?“
    „Haben wir Tunnel? Machst du Witze? Die Stadt schwebt förmlich über Schächten, Bunkern, Grotten, Kellern und sonstigen unterirdischen Hohlräumen.“
    „Und?“
    „Was und? Vergiss es!“
    „Warum?“
    „Hast du schon mal an einem kalten Wintertag auf einem warmen U-Bahnsteig gestanden, auf den nächsten Zug gewartet und dabei auf den Schotter zwischen den Gleisen gestarrt?“
    Farang schüttelte den Kopf.
    „Es wimmelt da nur so von Mäusen und Ratten.“ Sie stand auf. „Und du kannst gar nichts dagegen tun.“
    „Ratten?“
    „Sie wuseln da herum, aber wenn du sie am Schwanz packen willst, sind sie weg, wie diese Kriminellen, wenn die da unten rumflitzen, sind sie so mobil, dass sie keinerlei Spuren hinterlassen.“ Sie nahm sich noch eine Tasse Kaffee und hielt ihm die Kanne entgegen.
    „Nein, danke.“
    „Wir haben uns damals monatelang damit beschäftigt. Ich bin selbst in Gummistiefeln über die Gleise getrippelt, bin durch abgesoffene Bunker gewatet und habe verrostete Munition aus dem Zweiten Weltkrieg bestaunt. Ansonsten nichts! Mal ein Kochtopf und ein Fläschchen Soyasoße. Das war aber auch schon alles.“ Sie steckte sich eine Zigarette an und inhalierte gierig. „Und momentan interessieren mich sowieso nur zwei Sachen: Der Untersuchungsausschuss und Gustav Torn, die einzige Ratte, die mir am Herzen liegt.“
    „Und wenn er da unten zu finden wäre?“
    „Wenn, hätte, wäre ...“ Sie atmete tief durch. „Wenn, dann wäre ich die Erste, die sich wieder unter die Bergleute wagte.“
    „Wo wir gerade bei Ratten sind ...“, sagte Farang. „Ich habe Hunger. Darf ich dich zum Essen einladen?“
    „Was für eine geschmackvolle Überleitung.“ Sie lächelte. „Sorry. Aber heute Abend habe ich schon was vor.“

54
    „Mein Gott, du musst was essen, Rudi!“
    Heliane Kopter war außer sich vor Sorge und machte keinen Hehl daraus. Sie hockte auf einer wackeligen Obstkiste neben der modrigen Matratze und schüttelte den Kopf beim Anblick des Elendsbündels, das in seinen Armeemantel gehüllt, die rosa Kopfwärmer über den Ohren, vor sich hinfieberte und mit den Zähnen klapperte.
    „Mir issda Hunger jründlich verjangen“, flüsterte Mollen-Rudi und grub sich noch einige Millimeter tiefer in sein Lager aus löchrigen Wolldecken, feuchter Wellpappe und aufgetrennten Plastiktüten ein – wie eine Schnecke in ihr Haus.
    „Du hast dir ’ne saftige Erkältung eingefangen.“ Heli beugte sich

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