Berlin Fidschitown (German Edition)
große Chinese verzog keine Miene.
„Der Wichser lügt!“, platzte der Kleine heraus.
„Halt mal für’n Moment die Luft an, Henry“, befahl der Große. Farang hielt den Mund. Der Köder, den er ausgelegt hatte, zeigte Wirkung.
Der Große lächelte ihn matt an. „Warten Sie einen Augenblick.“ Er verschwand im Restaurant.
Farang vertrat sich die Füße, um den Frost aus den Zehen zu kriegen und versuchte, den kleinen Chinesen mit einem freundlichen Grinsen zu trösten.
Henry bewegte sich keinen Millimeter, stand wie angefroren in Bereitschaft und fixierte den Gegner – ganz der Tempelhund im Kampfeinsatz. Für ihn war der Fall noch nicht gegessen.
Der große Chinese öffnete die Tür und winkte Farang herein. Farang sah, wie der Kleine sich frustriert abwandte, betrat das Lokal und genoss mit einem leisen Seufzer die Wärme, die ihn sofort umgab. Das Bild, das sich ihm bot, hatte etwas Unwirkliches.
Der bestuhlte Teil des Restaurants war voll besetzt. Die Gäste waren ausnahmslos männliche Chinesen aller Altersklassen in dunklen Anzügen und Krawatten über weißen Hemden. Sie wurden vom Chef des Hauses persönlich bedient. Tiefe Sorgenfalten gruben sich in Theo Runkes Babygesicht, während er – unterstützt von den Thailänderinnen in den bestickten Sarongs – von Tisch zu Tisch eilte. Selbst Karl-Montri musste mit anpacken, um den Besucheransturm zu bewältigen. Während Farang dem Chinesen in den Nebenraum folgte, streifte ihn Runkes bitterer Blick. Als Empfangschef war der Dicke mit der Glatze heute nicht gefragt.
Auf den Matten und Sitzpolstern unter den Ramayana-Wandbehängen hatte es sich ein halbes Dutzend Chinesen-Bosse beim Essen gemütlich gemacht. Der Jüngste erhob sich, um Farang zu begrüßen, während die anderen unbeteiligt weiteraßen und tranken. Der gut aussehende Mittdreißiger trug Weste und Hose eines dreiteiligen Tweedanzugs. Schnitt und Farbe des rostbraunen Tuchs wirkte inmitten des konservativen Schwarzweiß geradezu rebellisch. Das am Hals offen stehende Hemd in Altrosa tat das seine dazu. Der winzige Brillant im rechten oberen Schneidezahn war hingegen in diesen Kreisen nichts Besonderes.
Der Mann stellte sich Farang als Johnny Khoo vor und bezeichnete sich als „Berliner Stationsleiter“ – was immer das bedeuten mochte. Farang verzichtete darauf, sich bekannt zu machen, hatte den Eindruck, dass Johnny voll im Bilde war. Nachdem er Farang Mantel und sonstiges Winterzubehör abgenommen hatte, wurde Edgar Wong von Khoo mit einem knappen Blick entlassen und zog sich mit einem gehorsamen Diener zurück. Farang folgte Johnny Khoos Einladung, ließ sich neben ihm nieder, stillte in aller Ruhe seinen Hunger und lauschte dem energischen Gesang der Hakka-Dialoge, an dem sich auch Johnny intensiv beteiligte. Nur mit dem Wunsch nach Bier fiel Farang leicht aus der Rolle. Einen Augenblick lang zog er die Aufmerksamkeit auf sich und brachte den einen oder anderen Chinesen zum Kichern. In dieser Runde trank man selbstverständlich Cognac zum Essen.
Nach dem Mahl dirigierte Johnny ihn an einen Tisch im vorderen Teil des Restaurants und lud zu einem Mekhong ein. Farang akzeptierte und sah sich um. Auch hier waren inzwischen alle verköstigt und widmeten sich dem alkoholischen Nachtisch. Theo Runke gab den Gastwirt mit der Grazie eines Buddhas, der seine Rachegelüste nur mühsam unterdrückt. Edgar Wong stand nahe zum Eingang, rauchte Kette und inspizierte den langen Nagel am kleinen Finger seiner linken Hand.
„Es handelt sich um ein lang geplantes Geschäftsessen unserer Firma“, interpretierte Johnny die einseitige Besetzung des Restaurants.
„Sieht mehr nach feindlicher Übernahme aus.“
Johnny ließ seinen Brillanten für zwei Sekunden sehen. „Nennen wir es: Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann. Eine Fusion zum gegenseitigen Nutzen. Wir haben Herrn Runke schon vor geraumer Zeit ein solides Angebot unterbreitet. Leider zeigt er eine gewisse Entscheidungsschwäche, bei der wir ihm behilflich sind.“
„Entscheidungsschwäche ...“
„Richtig. Sie wissen sicher, dass Psychologie auf dem freien Markt eine prominente Rolle spielt.“
„War es nicht Gier?“
Johnny überhörte die Ungezogenheit. „Man muss sich in den potentiellen Geschäftspartner hineinfühlen. Denken Sie bitte nicht, wir trieben jeden Tag einen derartigen Aufwand um ein einfaches Speiselokal. Es traf sich gerade so. Unsere allmonatliche Versammlung stand an, und so baten wir Herrn Runke
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