Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berlin Gothic 3: Xavers Ende

Berlin Gothic 3: Xavers Ende

Titel: Berlin Gothic 3: Xavers Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
Vom Netzwerk:
würde sie sich über das Weiche eines Löwenfells freuen und zugleich nicht vergessen können, dass der Löwe sie jeden Moment in Stücke reißen konnte. Als wüsste sie, dass der Genuss, dieses Fell zu streicheln, nur um den Preis zu bekommen war, dass sie es riskierte, zerfleischt zu werden.
    Da sah er, wie sie zurückzuckte - hatte Felix‘ Hand nach ihr gegriffen? - wie sie den Kopf anmutig neigte, an dem Mann vorbeiging und das Wohnzimmer betrat, während Felix vor dem Fenster stehenblieb und die Hände in die Hosentaschen schob.
    Till trat aus seiner Nische heraus, so dass Lisa ihn sehen musste. ‚Was hast du den beiden Männern gesagt‘, wollte er ihr zurufen, doch so weit kam er nicht, denn kaum hatte sie ihn erblickt, lachte sie. „Till! Willst du mir schon wieder was sagen?“
    Der Klang ihrer Stimme befremdete ihn.
    „Weißt du, wo deine Mutter ist?“, antwortete er leise und  versuchte zugleich, das Bild von ihr und Felix aus seinem Kopf zu verscheuchen.
    „Willst du es jetzt ihr sagen?“ Lisa senkte die Lider ein wenig und ihre Augen blinkten.
    Till zögerte. „Lisa, ich … ich - “
    „Was denn?“, fuhr sie dazwischen, die Stimme eine Spur schrill. „Bedrückt dich was, mein kleiner Till?“
    Es traf ihn wie ein Stromschlag. Was war mit ihr? Verspottete sie ihn?
    „Du kannst mir alles sagen.“ Sie reckte die Arme in die Luft, als wollte sie sich strecken, dann senkte sie ihre Stimme zu einem Flüstern, bei dem Till noch viel stärker das Gefühl bekam, sie würde sich über ihn lustig machen. „Ich erzähl‘s auch nicht weiter.“
    Instinktiv griff er nach ihren Armen - wenn sie so vor ihm stand, ertrug er es nicht - bog sie herunter, als wollte er sie zurückverwandeln in die Lisa, die er kannte. „Was hast du?“
    „Au.“ Sie entriss ihm ihre Arme, trat einen Schritt zurück, aber der Spott glitzerte noch immer in ihren Augen. „Was willst du denn?“
    „Ich … Lisa, ich muss mit dir sprechen.“
    „Mit wem denn nun - mit mir oder mit Mama?“ Da war sie wieder, die schrille Stimme, die Till eben zum ersten Mal von ihr gehört hatte.
    „Lisa, hör doch. Ich weiß, dass ich dir vertrauen kann, du warst die erste, der ich gesagt habe, dass ich aus Brakenfelde komme … “
    Sie rollte die Augen. Was war mit ihr? Sie wirkte völlig verdreht!
    „Hör doch mal zu“, fauchte er sie an - aber es war, als würde er die Schale, die sie aufgezogen hatte, nicht mehr durchdringen.
    „Verschon mich mit deinen Geschichten“, zischte sie und machte Anstalten, an ihm vorbei zu gehen.
    „Es ist wichtig, es kann so nicht weiter gehen!“
    „Sag‘s meiner Mutter - das wolltest du doch sowieso!“, warf sie ihm über die Schulter hinweg zu - aber da war es, als würde die Wut, die Enttäuschung über ihr Benehmen ihm geradezu den Magen zusammenkrampfen. Kurzerhand riss Till sie an der Schulter herum und herrschte sie an: „Was ist denn los mit dir? Hat dieser Felix dir ins Hirn geschissen?“
    Es war ihm herausgerutscht, nie zuvor hatte er so mit ihr gesprochen - und es verfehlte seine Wirkung nicht. Ein Hauch von Ekel huschte über Lisas Züge. Für Till aber war es, als würde er einen Sprung in der aufgesetzten Fassade erblicken, als würde für einen Moment die Lisa, die er kannte, darunter zum Vorschein gekommen sein.
    „Entschuldige Lisa, ich wollte das nicht sagen, aber … was ist denn mir dir?“
    Sie sah ihm ins Gesicht. Er trank ihren Blick, glaubte fast, darin zu versinken - doch es dauerte nur einen Moment, dann schien sich eine beinahe unsichtbare Membran über ihre Pupillen zu schieben, den Glanz daraus löschen. Als würde die Lisa, der er immer vertraut hatte, mit der ihn eine besondere Innigkeit verbunden hatte, mit einem Hauch aus dem Körper des Mädchens vor ihm entweichen und nur noch ihre Hülle vor ihm stehen. Die Hülle einer Elfjährigen, die in der guten Stunde, seitdem er sie zum letzten Mal gesehen hatte, von einem Mädchen zu etwas anderem geworden war.
    Bestürzt starrte er sie an, aber ihr Blick bewegte sich nicht mehr. Sie schien sich ihrer Wirkung nur allzu bewusst zu sein, den Magnetismus, den sie auf ihn ausübte, plötzlich noch besser als jemals zuvor zu kennen. Ja, ihre Anziehungskraft schien sich dadurch, dass sie nur noch äußerlich die Lisa war, die er kannte, aus für ihn unerfindlichen Gründen noch einmal gesteigert zu haben. Gesteigert zu einem Ziehen geradezu, dem Till sich nur allzu gern hingegeben hätte und das wie verankert in seiner

Weitere Kostenlose Bücher