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Berlin Gothic 3: Xavers Ende

Berlin Gothic 3: Xavers Ende

Titel: Berlin Gothic 3: Xavers Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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Bauchdecke wirkte - als hätte er es schon immer in sich getragen, nur noch nie gespürt. Ein Verlangen, sie in den Arm zu nehmen, ihren Körper zu umschlingen, die Zartheit ihrer Lippen, die sich jetzt vor seinen Augen langsam teilten, zu erkunden.
    Für einen Moment war es, als ob die Zeit still stehen würde. Dann sah er, wie ihre Hand sich seinem Gesicht näherte, ihre Finger sich entfalteten, fühlte, wie ihr Daumen seine Lippen berührte, darüber hinwegstrich, während ihre Augen, in denen er - von einem Brausen durchtost, das ihm fast den Atem nahm - verzweifelt versuchte, die Lisa wiederzufinden, die er in den vergangenen Wochen kennengelernt hatte … während ihre Augen glanzlos blieben, wie ausgeschaltet, hart, blau und abweisend, als würde sie in ihrem Kopf nicht bei ihm sein, sondern nur berechnen, wie das, was sie gerade tat, in ihm zündeln musste. Als würde sie registrieren, wie ihn das Feuer, das sie in ihm entfachte, umschmolz zu jemandem, der sie nie wieder würde vergessen können.
    Till konnte nicht anders - er packte ihre Hand, drehte die Handfläche nach oben und versenkte seinen Mund darin, nicht länger fähig, sich zurückzuhalten, hingerissen von dem Verlangen, mehr von ihr zu spüren.
    Doch das erlaubte sie ihm nicht.
    „Los, Till, lauf, wolltest du nicht zu meiner Mutter, ihr etwas sagen?“, hörte er sie gurren und merkte erst jetzt, dass er die Augen geschlossen hatte.
    Sie entzog ihm ihre Hand und es kam ihm so vor, als würden ihm mit einem Schlag alle Knochen gleichzeitig aus dem Körper gerissen werden. Im gleichen Moment hatte Lisa sich schon abgewandt, war jetzt nicht mehr aufzuhalten, huschte an ihm vorbei über die Treppe in den ersten Stock.
    Till blieb zurück. Aufgewühlt, verwirrt, benommen. Die Berührung ihrer Handfläche glühte auf seinen Lippen, so gut es ging, versuchte er, den kaum wahrnehmbaren Duft ihrer Anwesenheit so lange wie möglich noch zu erspüren. Und merkte doch zugleich, wie er verflog, wie sie ihm entschlüpfte.
    Er konnte ihrer Mutter nicht sagen, was er wusste. Es würde bedeuten, dass er nicht länger hier bleiben durfte. Aber der Gedanke daran, das Haus verlassen zu müssen, war ihm unerträglich. Nicht, weil er nicht zurück nach Brakenfelde gewollt hätte - oder in welches Heim auch immer sie ihn stecken würden - nicht, weil er Max nicht allein lassen konnte. Sondern weil er Lisa nicht aus den Augen lassen durfte.
    Erst hatten sie Bentheim in ihre Gewalt bekommen, jetzt war sie es, die sich - praktisch unter seinen Augen - verändert hatte. Er durfte nicht zulassen, dass sie sie bekamen! Das war der Grund, warum er nicht preisgeben konnte, was mit Bentheim geschehen war. Er musste für Lisa da sein!
    Till hob den Kopf und sein Blick ging durch das Fenster in den Garten hinaus. Er würde für sie da sein - egal, wie sehr sie sich auch verändern mochte!

 
    BERLIN GOTHIC 3
     
    Epilog
     
     


     
    Heute
     
    „Bitte sehr.“
    Till tritt an seinem Begleiter vorbei aus dem unterirdischen Gang durch die Tür. Das erste, was ihm auffällt, ist der triefende Gestank nach altem Frittieröl.
    Während der Mann ihm in den Verschlag folgt und die Tür hinter sich abschließt, sieht Till sich um. Eine Frittiermaschine, eine Arbeitsplatte, Kühlschränke, Kochbesteck - alles ist abgewischt und doch wie durchtränkt von dem Fett, dem Gestank, dem ranzigen Geruch nach billigem Essen.
    Sein Blick fällt auf eine breite Glasscheibe, in der sich die Neonröhren spiegeln, die in dem Verschlag brennen - und er bemerkt, dass er durch die Scheibe hindurchsehen kann. Auf einen grün gekachelten Gang, der davor verläuft.
    Plötzlich ist es, als ob die Erinnerung die Wahrnehmung vervollständigen würde.
    Zwölf Jahre ist es her, dass er zum letzten Mal hier gewesen ist!
    Sein Begleiter drängt sich an Till vorbei zu dem schmalen Eingang an der Seitenwand und schließt ihn auf. Dahinter führen zwei Stufen hinunter in den grün gekachelten Gang.
    U-Bahnhof Alexanderplatz. Es ist noch immer die gleiche Bude! Damals war es ein chinesischer Imbiss - jetzt werden hier Pommes frittiert und Würste gebraten! Die Bude in der Bentheim verschwunden ist - in deren Mülleimer Till die Papageien entdeckt hat …
    Mit dumpfem Knall schlägt der Mann die dünne Holztür hinter ihnen zu, nachdem sie auf den Gang hinausgetreten sind.
    „Na los, komm schon!“
    Der Gang liegt menschenleer vor ihnen. Entfernt kann Till hören, dass noch immer U-Bahnen fahren. Er wirft einen

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