Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille
Bewegt den Kopf ruckartig hin und her. Die vollkommen ausgetrockneten Lippen aufgezogen, dass die Zähne dahinter hervorblecken.
2
Butz presst sich an die Wand. Hart fällt der Schlagschatten des Schranks, hinter dem er steht, vor ihm auf den Boden. Die nackte Glühbirne in der Kammer vibriert leicht. Durch die schmale Tür an der Längsseite des Raumes dringt das Geräusch fließenden Wassers. Jemand befindet sich in dem Bad dahinter, spuckt ins Waschbecken, schnauft.
„Das nehmen wir mit aufs Revier“, hatte einer der KTU’ler gerufen, in der Hand einen Plastiksack mit den Abfällen aus Fehrenbergs Küche.
Damit ihr das in aller Ruhe im Labor durchsuchen könnt? Butz hatte gespürt, wie ihn die Ungeduld packte. „Das dauert doch alles viel zu lange!“
Er hatte sich aus dem Kreis der Kollegen vor dem Rechner gelöst, von den Technikern eine Plane geben lassen und auf dem Boden ausgebreitet. Dann hatte er den Müllsack darauf ausgeschüttet und sich mit ein paar Gummihandschuhen daran gemacht, Fehrenbergs Abfall zu durchwühlen. Tomatendosen, Papiertaschentücher, Kaffeesatz, Plastikflaschen …
Das ist jetzt gerade mal zwei Stunden her.
Vorsichtig lässt Butz sich gegen die Seitenwand des Schranks sacken und zieht eine langstielige Taschenlampe aus der Manteltasche.
Die Tür des Badezimmers schwingt auf. Der Mann, der sich dahinter gewaschen hat, tritt heraus. Kurzer Stoppelhaarschnitt, gedrungener Schädel, breite Pranken. Er trägt ein Unterhemd, das seinen Bauch nicht ganz bedeckt und ausgeleierte, weiße Unterhosen. Löscht das Licht an der Decke und schlurft quer durch das Zimmer zu einem niedrigen Feldbett, das an der Seite gegenüber vom Schrank steht. Legt sich hinein, zieht die Decke über sich und dreht sich zur Wand.
Butz lässt ihn nicht aus den Augen.
Lubajew gegen Barkar.
Das ist es gewesen, was er in dem Müll gefunden hat: Ein Ticket für den Boxkampf, bei dem Claire fotografiert hat. Butz hat sie auf den Fotos von Frau Bastian ja gesehen. Das Ticket ist ihm in Fehrenbergs Abfall gleich aufgefallen.
Barkar. Wo auch immer er anfängt, zu stochern - überall stößt er auf Frederik Barkar.
Butz starrt zu dem Buckel unter der Decke auf dem Feldbett. Der Atem des Manns wird langsam gleichmäßiger.
Baumann heißt er - Willi Baumann. Barkars Trainer.
Es ist nicht schwer gewesen, sich Zugang zu der Kammer des Trainers zu verschaffen. Sie liegt in dem Gym, in dem Barkar auch trainiert. Eine Boxhalle in einem der Bögen unter der S-Bahn, eine Holztür mit einem Schloss, das nicht schwer zu eröffnen war.
Dunkelgrau liegt die Kammer da. Leise kann Butz das Verkehrsbrummen der Stadt durch das Fenster hindurch hören.
„HEY!“
Mit einem entschlossenen Schritt tritt er hinter dem Schrank hervor. Vage kann Butz sehen, wie sich der Körper unter der Decke zusammenkrümmt - dann ist er am Bett des Trainers. In der erhobenen Faust die eingeschaltete Taschenlampe, den Strahl direkt in die aufgerissenen Pupillen Baumanns gerichtet. In der anderen Hand seine Waffe, so dass der Trainer das schwarzglänzende Metall am Rand des Lichtkegels sehen muss.
„Willi Baumann?!“
Das scharf gezeichnete, gleichsam gegerbte Gesicht des Trainers wirkt eingefallen. Er scheint schlecht Luft zu bekommen. Aber er nickt.
„Claire Bentheim - schon mal gehört?!“
Baumann hat die Hand oben, versucht, seine Augen vor dem Lichtstrahl zu schützen. Seine Lippen bewegen sich, aber es ist nur ein Wispern zu hören.
„Was hat Barkar bei mir zu Hause zu suchen?!“ Butz spürt, wie seine eigene Stimme knattert.
Baumanns Gesicht ist fahl und hat einen ungesunden Ausdruck angenommen.
Und wenn er jetzt wegbleibt?
Die Lider des Trainers sind nicht ganz geöffnet.
„HEY!“
Die Lider springen wieder auf.
„Dein Muskelmann taucht bei uns auf und macht mit meiner Freundin rum. Weißt du was davon?“
„Ich … ich hab doch keine Ahnung, was Barkar alles anstellt … “
Butz beugt sich vor. „Butz ist mein Name, weißt du, was ich mache?“
Wenn Baumann meldet, was hier gerade vor sich geht, wird Butz das in erhebliche Schwierigkeiten bringen. Aber er kann es förmlich riechen: Es ist kein Zufall, das Barkar ausgerechnet jetzt bei ihm zuhause aufgetaucht ist.
„Ich hab mich umgehört, Baumann“, flüstert Butz. „Lubajew hat sein Bestes gegeben - aber er hätte nie gegen Barkar antreten dürfen. Er hatte keine Chance - von Anfang an nicht. Niemals wäre es zu dem Kampf gekommen, wenn ihr nicht im
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