Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille
Hintergrund die Fäden gezogen hättet.“
Er streckt den Arm mit der Waffe vor, schiebt Baumanns Rechte damit zur Seite, so dass der Strahl der Taschenlampe ungehindert auf das Gesicht des Trainers fällt. „Ich wühl mich rein, Baumann, ich lass nicht locker. Ich dreh jeden Stein um und leuchte in jede Ecke.“
Baumanns Gesicht wird schlaff. Er atmet ruckartig, seine Wangen blähen sich. Nach Worten zu suchen, scheint er jedoch nicht. Eher wirkt es, als versucht er, den Schlag seines Herzens unter Kontrolle zu bekommen.
Butz kniet sich mit einem Bein auf das Bett. Der Mann tut ihm leid. Es ist das Gesicht eines alten Boxers, was ihm unter dem gleißenden Schein der Taschenlampe da aus dem Dunkel entgegenstarrt. Aber Baumann hängt mit drin.
Mit dem Ende des Laufs berührt Butz Baumanns Lippen. Dann dreht er die Waffe vorsichtig und doch nachdrücklich hinein, sieht, wie Baumanns Unterkiefer herunterklappt. Schiebt dem Mann den Pistolenlauf zwischen die Zähne hindurch in die Mundhöhle. Baumanns Augen werden groß. Butz kippt die Waffe nach oben, spürt, wie das Metall gegen den Gaumen stößt.
„Mhhhmmmm.“
„Warum sollte Barkar sich um Claire kümmern?“
Baumann hat beide Hände auf Butz‘ Faust gelegt, die die Pistole in seinen Mund presst. Butz spürt, wie Baumann dagegen drückt.
„Mhhhmmmmmmmmmmmmm.“
Langsam scheint der Drang, Luft zu bekommen, Baumanns Angst davor, dass Butz abdrücken könnte, zu überwiegen.
Mit einem hartem Ruck reißt Butz den Lauf zwischen den Zähnen des Trainers wieder hervor, stößt ihm die Waffe von außen in die Wange, so dass Baumanns Gesicht seitlich in das Kissen gepresst wird.
„Er hat mich angerufen … “, der Trainer ringt nach Luft, versucht gleichzeitig zu sprechen, „gesagt, dass ich was für Frederik tun könnte - “
„Wer hat angerufen?“
Der Lauf wandert über die Wange ins Ohr. Butz sieht, wie Baumann die Augen schließt.
„ WER?! “
„Fahlenkamp, sein Name ist Fahlenkamp, hat er gesagt.“
Butz‘ Zähne knirschen.
Fahlenkamp? Er kennt nur einen Mann, der so heißt.
Henning, der Mann von Claires Schwester Betty.
Henning Fahlenkamp.
3
Zwei Jahre vorher
Henning wandte den Blick von seiner Braut und sah Lisa genau in die Augen.
Lisa stockte. Hatte sie gesagt, dass sie arrogant waren? Oder hatte sie gesagt, dass sie ihr arrogant vorgekommen waren? Für den Bruchteil einer Sekunde schien die Zeit stillzustehen. Lisa spürte, wie Hennings Blick es ihr schwer machte, einfach weiterzusprechen.
„Das ist ein Gutshof aus dem - was?“, sie ließ den Blick über die Hochzeitsgäste wandern, „aus dem achtzehnten Jahrhundert, oder Henning?“ Sie schaute zu ihm.
Er lachte, nickte. „Ja, Einweihung 1781.“
„Mit einer atemberaubenden Atmosphäre“, fuhr Lisa fort, „sogar eine Grotte gibt es dort, für die das Flüsschen, das unweit vom Haupthaus entlang fließt, umgeleitet werden musste.“
Hennings Haus, oder besser gesagt: das Haus seiner Familie. Sie waren dort gewesen, gar nicht so lange her: Lisa, Malte, Quentin, Henning, ein paar andere noch und … Felix. Darüber hatte Lisa sich entschlossen, auf der Hochzeit ihrer Schwester zu sprechen: Über das Wochenende, das sie zusammen im Haus der Familie Fahlenkamp verbracht hatten.
„Ein Gutshaus, das muss ich wirklich sagen, dessen Schönheit sehr gut zu der Stimmung passte, die von Anfang an bei diesem Wochenende geherrscht hat.“
Alles hatte großartig geklappt, Lisa hatte ihre Rede flüssig begonnen, sie hatte gespürt, wie ihr Mund die Laute formte, wie sie hell und wohl artikuliert aus ihr herausströmten, wie das Publikum an ihren Lippen hing, bei ihren mit Bedacht eingestreuten Scherzen lächelte und sich freute, ihren Gedankengängen so gut folgen zu können.
Bis sie gestockt hatte, weil sie mit einem Mal gemerkt hatte, wie misstrauisch Henning sie ansah, kaum dass er begriffen hatte, dass sie von ihrem gemeinsamen Wochenende reden wollte. Plötzlich hatte Lisa sich fragen müssen, ob sie gesagt hatte, dass Henning und seine Freunde arrogant waren, oder ob sie gesagt hatte, dass sie ihr arrogant vorgekommen waren. Und das war ein großer Unterschied. Denn Lisa hatte sich für ihre Rede überlegt, dass sie erzählen wollte, wie sie ihr zunächst arrogant vorgekommen waren, dass sie dann aber - nachdem sie sie besser kennengelernt hatte - hatte feststellen müssen, wie herzlich und liebevoll diese Menschen in Wirklichkeit waren.
Lisa starrte in die
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