Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille
über so freundlich zu ihnen gewesen war: Weil er die Rechte an Xavers letzten Büchern von ihnen wollte?
Max sah, wie Felix aufstand.
„Machen wir es dann so?“ Felix sah auf ihn herunter. „Ich ruf dich an, nächste Woche?“ Wieder umspielte das spöttische Lächeln seinen Mund, als wollte er sich dahinter verstecken.
Klar, ruf mich an, dachte Max - aber du kannst so viel anrufen, wie du willst, ich werde dir die Rechte nicht verkaufen!
„Ja, machen wir es doch so“, erwiderte er leichthin - musste zu seiner eigenen Überraschung im gleichen Moment aber denken: Und wenn ich das, wovon Felix überzeugt ist und auch mein Vater überzeugt war, DOCH NOCH brauchen sollte? Nach dem, was in Riga geschehen ist? Nach dem, was vor zehn Jahren in den Tunneln unter der Stadt passiert ist? Nachdem ich Till dazu gebracht habe, meinen Vater zu töten?
8
Heute
„Können wir das nicht ausspielen?“
„Klar können wir das - aber es hilft uns wahrscheinlich nicht weiter.“
„Ansgar?“
„Jap.“
„Ist der Rechner hochgefahren?“
„Gleich … halbe Minute.“
„Schickst du es dann an den Computer, bitte.“
„Nummer?“
„Die von der KTU.“
Butz drückt die Tasten auf seinem Handy. Der Polizeidirektor steht neben ihm.
Butz schickt das Foto ab, das er von Micha bekommen hat. „Müsste gleich da sein … “
Das Display seines Handys spiegelt die nackte Glühbirne an der Decke wider. Butz dreht das Gerät so, dass ihn die Reflexion nicht blendet. Nachdem er entdeckt hat, dass Fehrenbergs Leiche verschwunden war, hat er die gesamte Wohnung abgesucht. Aber es war niemand mehr dort - und Butz hat die Kollegen alarmiert.
„Okay … Bild ist da.“ Der Kriminaltechniker, der sein Laptop auf einem Sideboard im Wohnzimmer aufgebaut hat, nickt zum Bildschirm. Dort baut sich das Foto gerade auf.
„Pffff … “ Der Polizeidirektor tritt hinter den Techniker und blickt über dessen Schulter auf den Monitor.
Butz kennt die Aufnahme ja bereits von seinem Handy. In Laptopbildschirmgröße trifft sie ihn jedoch, als würde er sie zum ersten Mal sehen.
Fehrenberg ist darauf zu erkennen, niedergestreckt auf seinem Bett. Je nachdem, in welcher körperlichen Verfassung er gerade war, ist Volker Fehrenberg immer eine eher massige oder eher fette Erscheinung gewesen. Das, was Butz jetzt jedoch auf dem Bildschirm vor sich sieht, hat mit dem Kollegen, den er gekannt hat, nicht mehr viel zu tun. In den letzten drei Wochen vor seinem Tod muss Fehrenberg sich in atemberaubender Geschwindigkeit regelrecht körperlich verändert haben.
Chips, Flips, Mäusespeck, Schokoriegel, Cola, Pepsi, Bounty & Co. Die Reste der Junkfoodorgie übersähen ja noch den Fußboden des Schlafzimmers, kartonweise stapelt sich die Verpackung von dem Zeug in der Ecke. Doch es ist nicht allein der vollkommen aus der Form geratene Leib, der auf der Aufnahme so beklemmend wirkt, es ist auch die Haltung, in der Fehrenbergs Leiche sich auf dem Bett zusammengekrümmt. Jede Sehne scheint geradezu eingelaufen zu sein - als hätte sich das Netz aus Muskeln und Strängen, das sich durch das Fett und die Fleischwülste zieht, gleichsam verknotet.
„Was denkst du, Jens?“
Der Rechtsmediziner mit dem Kinnbart und der Brille hat sich zu ihnen gesellt. Fehrenbergs geschundener Leib und die vier Leichen in der Wohnung lasten auf ihnen wie ein Alpdruck.
„Gibt’s noch andere Aufnahmen?“ Der Mediziner sieht über seine Brille hinweg zum KTU’ler.
Der schüttelt den Kopf.
„Naja … “, Jens beugt sich vor, um die Aufnahme besser studieren zu können.
„Was?“ Butz‘ Vorgesetzter wirkt ungeduldig.
„Keine Ahnung … ich meine … das kann alles Mögliche sein.“
„Alles Mögliche.“
„Hmhm.“
„Gut, aber erschossen worden“, mischt Butz sich ein, „ist er nicht, oder?“
Der Rechtsmediziner wirft ihm einen prüfenden Blick über seine Brille hinweg zu. Will Butz sich über ihn lustig machen?
„Nein, weil Micha … “ Butz reibt sich über die Stirn. Micha ist erschossen worden. Wie hängt das zusammen?!
Die anderen sehen zu ihm.
„Micha ist erschossen worden.“ Butz‘ Stimme ist gedämpft. „Ich meine … was ist hier überhaupt passiert?“
Er sieht, wie sich sein Chef kurz mit der Zunge über die Lippen fährt.
Butz blickt auf den Monitor. „Fehrenberg zieht sich in seine Wohnung zurück, ja?“ Er deutet auf die Junkfoodreste, die auch auf dem Foto zu erkennen sind. „Wie’s aussieht, hat er sie nur
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