Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille
Max, ob es auch das ist, was DU willst. Erst dann wirst du den Weg zum Ziel finden.“
Max atmete hörbar aus. „Den Weg zum Ziel finden, sich selbst zulassen - du solltest dich mal hören!“ Er scheute sich nicht, sich nach vorn zu beugen und an Felix‘ Schulter zu rütteln. „Das ist Bullshit, Mann! Es klingt, als ob du in einem … was? Fortbildungskurs für Manager gewesen wärst, oder so was.“
Felix lachte und ließ doch durch das Geräusch, das er dabei machte, keinen Zweifel daran, dass es ihm absolut ernst war. „Vielleicht hast du recht. Aber ich glaube nicht. Ich glaube, was mir dein Vater gesagt hat.“
Papa.
Es war, als würde ein kraftvoll geschlagener Eispickel mit der Spitze durch die Kruste dringen, die Max um sich herum gewebt hatte.
„Was denn!“, rief er heftig. „Glaubst du, ich weiß das nicht? Dass du mir nur den Kopf dusselig quatschst, weil du willst, dass ich dir die Rechte verkaufe! Die Rechte an Vaters letzten Büchern!“
Max spürte, dass er das, was Felix ihm einreden wollte, von sich wegzuhalten versuchte. Er wollte sich nicht für dumm verkaufen lassen!
Felix sah ihn ruhig an. „Hast du dich mal gefragt, wofür ich die Rechte brauche, Max? Etwa, um möglichst viel Geld damit zu machen? Ist es das, ja? “
Max winkte ab. „Ich kann mir schon denken, was du vorhast, und will gar nicht wissen, ob ich recht damit habe.“
Das aber schien eine Antwort zu sein, die Felix nicht auf sich beruhen lassen wollte. „Wirklich, Max, komm mich besuchen, dann erkläre ich dir, was ich vorhabe - zumindest im Ansatz. Vor allem aber“, fuhr er fort, „merk dir eins: Es geht mir nicht darum, dir die Rechte irgendwie abzuluchsen. Wenn du sie mir überlässt: gut. Aber ich will nicht nur die Rechte. Ich will auch dich!“
Mich.
Felix nickte, während er weitersprach. „Ich brauche keine Fleiß-Meister, für das, was ich vorhabe, keine Erbsenzähler, keine zuverlässigen Typen, deren hervorstechendste Eigenschaft es ist, genau das abzuliefern, was ich gefordert habe. Ich brauche keine Leute mit mittelmäßigen Einfällen, keine Routiniers und keine Spinner. Was ich brauche, sind Köpfe, die vielleicht nur einen Einfall in ihrem Leben haben, aber einen Einfall, der sich gewaschen hat. Ich brauche dich, Max, alles andere sind nur leere Worte, hohle Versprechungen und überflüssiges Gewäsch.“
Max sah ihn an. Felix‘ stahlgraue Augen blinzelten nicht. Die Haut war straff über seinen Wangenknochen gespannt. Er plapperte nicht mehr, er scherzte nicht, er redete nicht um den heißen Brei herum. Seine ganze Aufmerksamkeit schien sich darauf fokussiert zu haben, Max diesen Gedanken einzupflanzen: Dass er, Max, etwas Besonderes war, und dass Felix ihn genau deshalb für das brauchte, was er mit Xaver begonnen hatte.
„Na schön. Ich glaube, ich lass euch Jungs jetzt mal in Ruhe weiter feiern.“ Felix war aufgestanden, ohne eine Antwort von Max abzuwarten. „Ich bin doch längst zu alt dafür, um mir hier noch die Nächte um die Ohren zu schlagen.“
Er streckte die Hand aus und Max schüttelte sie. „Tschüss, Max.“
„Tschüss.“
Max sah Felix nach, während er die Rampe zur Tanzfläche herunterging und zwischen den Gästen verschwand.
Dann ließ Max sich in seinen Loungesessel zurücksinken. Er sollte das Werk seines Vaters vollenden? War das nicht, wovon er sein Leben lang geträumt hatte: Dass er abschließen würde, was Xaver begonnen hatte?
BERLIN GOTHIC 4
Fünfter Teil
1
Heute
Der Elektromotor, der die Hubvorrichtung antreibt, springt an und surrt. Mit einem Ruck beginnt sich das Garagentor zu heben.
Henning tritt von dem Schalter zum Öffnen des Tores zurück und setzt sich durch die bereits geöffnete Autotür in seinen Wagen. Dreht den Zündschlüssel.
Knurrend erwacht der bissige Motor des italienischen Sportcabrios zum Leben. Henning liebt dieses Geräusch. Er legt den Rückwärtsgang ein, dreht den Oberkörper herum, streckt den rechten Arm auf der Rücklehne des Beifahrersitzes aus und lässt die Kupplung kommen.
Stutzt.
Das Garagentor hebt sich noch, die untere Kante ist erst fast einen Meter weit nach oben gefahren.
Aber …
Hennings linker Mundwinkel zieht sich hoch.
Durch die halbhohe Öffnung hindurch kann er ein Paar Hosenbeine vor dem Garagentor stehen sehen.
Er drückt mit dem linken Fuß die Kupplung wieder durch, und tritt mit dem rechten kräftig auf das Gaspedal.
Der Motor röhrt.
Welcher Idiot stellt sich direkt vor
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