Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille
- das Handy noch in der Hand - die Arme aus. „Also, was ist, Niklas? Krieg ich jetzt meinen Kuss?“ Laut, so dass alle es hören konnten.
Max fühlte, wie sich sein Mund ein wenig öffnete. Und es passierte tatsächlich: Etwas unbeholfen trat Niklas an Felix‘ Sessel, beugte sich herunter und nahm ihn in den Arm.
Felix aber schaute ihm über die Schulter und seine Augen hefteten sich auf Max. „Na also“, sagte er. „Geht doch!“
Im gleichen Moment wurde die Beleuchtung wieder heruntergedimmt - schlagartig setzte die Musik wieder ein. Und übertönte für alle anderen, was Felix über Niklas‘ Schulter hinweg sagte - Max aber konnte es deutlich hören.
„Was soll ich tun, Max?“, schnarrte er. „Soll ich Niklas mit einer Eisenstange die Beine abschlagen lassen? Oder dafür sorgen, dass ihm sein Zeigefinger so tief ins Ohr gerammt wird, dass das Trommelfell dabei reißt?“
6
Die Worte trafen Max in die Magengrube, als hätte ihm jemand hineingetreten. Für einen Moment kam es ihm so vor, als würde ein hoher Pfeifton in seinem Ohr singen, als würde sein ganzes Bewusstsein verrutschen. Noch bevor er reagieren konnte, riss Niklas sich von Felix los, wandte ihrem Tisch den Rücken zu und stakte mit seltsam ungelenken Schritten die Rampe herunter. Till war bereits vorhin, als Rittlingers Anruf gekommen war, aufgestanden und nach unten zur Theke gegangen.
„Max, warte!“ Felix legte eine Hand auf Max‘ Arm, um ihn daran zu hindern, sich ebenfalls aus seinem Sessel zu erheben. „Was denkst du denn? Das war doch nur ein Scherz!“
Ein Scherz? Was für ein entsetzlicher Scherz sollte das sein?
„Ich entschuldige mich ja gleich bei ihm dafür, aber … “ Felix schien nach Worten zu suchen. „Ich wollte dir doch nur zeigen … es war doch alles nur, damit du siehst, dass ich ihn tanzen lassen kann.“ Er sah Sonja hinterher, die Niklas nacheilte. „Ich kann ihn tanzen lassen“, wiederholte er und schaute zurück zu Max, „aber du, Max - kannst es noch viel besser!“
„Quatsch!“ Max wollte diesen Mann nicht länger in seiner Nähe haben und blieb doch sitzen.
„Dein Vater hat es immer gesagt, Max.“
„Was?“
„Dass du was Besonderes bist. Dass du in der Lage bist, etwas zu schaffen, das nur die wenigsten hinkriegen. Dass du die Fähigkeit hast, Ziele zu erreichen, die andere sich noch nicht einmal stecken können. Dass du Zusammenhänge verstehen und Entscheidungen treffen kannst, die wichtig sind - “
„Wichtig wofür? Das sind doch alles nur leere Phrasen!“
„Nein, sind es nicht! Er meinte, dass du das fortsetzen könntest, was er angefangen hat!“
„Ach?“
Felix ließ Max‘ Arm los. „Er schrieb an einem Buch, Max, das weißt du doch, aber nicht nur an einem Buch … eher an so etwas wie einer erfundenen Welt .“ Er unterbrach sich, schaute Max, wie um ihn zu prüfen, ins Gesicht. „An einem … ‚fiktiven Universum‘. Das ist, ehrlich gesagt, der Ausdruck, den wir, also ich und dein Vater, immer verwendet haben. Und dieses Universum ist noch nicht fertig.“
Ein fiktives Universum.
„Meinst du, das mit der Freundin von Irina ist Zufall?“ Felix ließ nicht locker.
„Was hat sie denn damit zu tun?“ Max schaute sich um, ob er nicht einen Kellner entdeckte, der ihm noch etwas zu trinken bringen konnte.
„Sie spürt es auch.“
„Dass ich was Besonderes bin, ja? “ Max musste fast lachen - zugleich erspähte er einen Kellner. „Einen Wodka, bitte.“ Er machte ihm ein Zeichen. „Einen Doppelten, ja.“ Er nickte dem Kellner zu und ließ den Blick für einen Moment durch den Club schweifen, um nicht gleich wieder zurück zu Felix sehen zu müssen. Konnte es sein, dass etwas dran war an dem, was er sagte? Unwillkürlich musste Max an Nina denken. Bei der Hochzeit. Hatte auch sie es gespürt?
„Du darfst keine Angst davor haben“, hörte er Felix sagen, „du musst es zulassen, Max. Ich weiß zwar nicht genau, wie schwer das ist, ich selbst habe sicherlich nicht deine Fähigkeiten. Aber ich weiß, dass man Angst davor hat. Manche haben die Kraft, sozusagen sich selbst zuzulassen - andere nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass es eine Herausforderung ist, die dich bis an die Grenzen deiner Kräfte treiben wird. Aber du darfst nicht aufgeben! Du darfst nicht eher ruhen, als bis du genau dort bist, wo du selbst hinwillst. Du darfst dich nicht zufrieden geben mit dem, was andere Leute von dir wollen, dir empfehlen. Du musst in dich hineinhorchen,
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