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Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)

Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)

Titel: Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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darum, den Höhepunkt zu finden und klar herauszuarbeiten - den Fluchtpunkt sozusagen, auf den alles zulaufen würde. Dann würde es geschafft sein: Wenn er diesen Kulminationspunkt erst einmal gefunden hatte, würde ihm das ausreichend Kraft geben, um mit der eigentlichen Niederschrift des Textes zu beginnen.
    Max legte den Stift zur Seite und stand auf. Klar: Auch das, was er heute notiert hatte, war noch nicht der eigentliche Text, sondern nur der Plan , der Grundriss für die Geschichte, den er als Orientierungshilfe bei der wirklichen Schöpfung dann verwenden würde. Es war sozusagen nur das Gerippe, das Gerüst der Geschichte, die er dann, wenn er mit dem Plan einmal fertig war, endlich niederschreiben konnte!
    Unruhig tigerte er vor seinem Schreibtisch über das Parkett. Der Höhepunkt … das war wichtig , ungemein, beinahe unendlich wichtig . Stand und fiel nicht sein ganzes Unternehmen damit, ob es ihm gelang, in diesem Höhepunkt all die Versprechungen, die er auf dem Weg dorthin aufgehäuft hatte, einzulösen?
    Er trat ans Fenster und sah in die Nacht. Am Ende der Straße glänzte das schwarze Wasser der Spree.
    Ja, es war ja nicht nur der Höhepunkt seines Textes , es war der Höhepunkt seines ganzen Lebens. War nicht sein Leben im Ganzen nur eine Vorbereitung darauf gewesen, diesen Text niederzuschreiben? Und waren alle Vorarbeiten für diesen Text bisher nicht nur Vorbereitungen auf diesen Höhepunkt gewesen?! Wie von einem Blitz erhellt meinte Max all die Anstrengungen, Zweifel und Überlegungen seiner bisherigen Existenz als einen einzigen, gewaltigen Koloss von Präparationen zu erkennen. Was für eine Kathedrale menschlicher Bildung, menschlicher Verfeinerung, die nun gekrönt würde durch die Frucht, die sie hervorbrachte! Eine Kathedrale, die eine Frucht hervorbrachte - ja! - war sein Leben nicht genau das - und nichts anderes?
    Es schauderte ihn ein wenig und er lehnte den Kopf gegen die kühle Fensterscheibe.
    Sein Text würde eine Wirkung entfalten, die jeden, der sich auf die Erzählung einließ, gleichsam mit sich fortreißen würde. Eine Wirkung, die die Kathedrale von Anstrengungen, die diese Wirkung erst möglich gemacht hatte, endgültig und mit einem Schlag rechtfertigen würde!
    Kathedrale?
    Max runzelte die Stirn. Eine Kathedrale von Anstrengungen?
    Irritiert richtete er sich auf.
    Eine Kathedrale von Anstrengungen, die eine Frucht hervorbrachte?
    Nein, das war doch kein passendes Bild …
    Ein Berg von Anstrengungen? Nein, nein … Die Summe? Zu abstrakt!
    Er atmete aus. Egal, völlig egal! Er sollte sich jetzt bloß nicht ablenken lassen!
    Ruckartig drehte sich Max um und kehrte an seinen Schreibtisch zurück. Warf einen Blick auf die Uhr. Kurz nach zwei Uhr nachts. Er hatte noch fast die ganze Nacht vor sich. Und das war gut so. Er brauchte Zeit, viel Zeit , er hatte sich viel vorgenommen!
    Entschlossen griff er nach seinem Kugelschreiber, lehnte sich dann aber erst noch einmal zurück.
    Der Höhepunkt …
    Er bemerkte, dass er aus dem Fenster starrte. Draußen schien sich der Verkehr langsam zu beruhigen. Fahl beleuchteten ein paar Sicherheitsleuchten das Bürogebäude auf der anderen Seite des Flusses.
    Max ließ den Stuhl, mit dem er gekippelt hatte, nach vorn fallen und nahm die Blätter auf, die er zuvor beschrieben hatte.
    Es war doch alles bereits angelegt! Die Geschichte stand vor ihm wie ein Obstbaum, dessen Äpfel er nur noch ernten musste.
    Er überflog die Zeilen. Suchte sich wieder in die Stimmung zu versetzen, in der sich seine Figuren befinden mussten - genau in dem Moment, in dem sie und er zum Höhepunkt der Geschichte kommen würden.
    Etwas erschöpft ließ er die Blätter wieder sinken. Es hatte ihn einige Kräfte gekostet, die ersten Seiten des Plans zu notieren. Sollte er sich nicht lieber mit ganz unverbrauchten Kräften an den Höhepunkt machen? War es nicht wie im Hochleistungssport? Der Sportler wärmte sich auf, sprang ein paar Mal, legte dabei aber so viel Kraft in die Sprünge, dass er sich nach ein, zwei Stunden eine Pause gönnte! Ging es ihm, Max, nicht ganz genauso? Hatte er nicht die sozusagen erstklassige Kraft , die ihm an jedem einzelnen Tag zur Verfügung stand, für heute bereits verbraucht?
    Unwillkürlich drängte es ihn dazu, erneut aufzustehen, doch zugleich traf ihn der Argwohn, dass er womöglich nicht mehr willensstark genug sein könnte, sich wieder hinzusetzen, wenn er sich erst einmal erhoben hätte. Würde es, wenn er erst einmal

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