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Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)

Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)

Titel: Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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überlegte kurz und fuhr dann fort. „Ich habe ans verräterische Herz von Poe denken müssen. Weißt du? Wo uns jemand die Geschichte erzählt, der die ganze Zeit über beteuert, geistig gesund zu sein … nur um am Ende gerade mit seiner Erzählung zu beweisen, dass er genau das nicht ist.“
    Max schlang die Decke, die er über sich gebreitet hatte, um seine Schultern. „Super, oder?“
    „So was Ähnliches schwebt dir vor, ja?“
    Max bohrte mit der Zunge in der Innenseite seiner Wange, schien nachzudenken.
    „Oder?“
    „Ja … ja, vielleicht …“
    „Dieser Kriminalkommissar? Wir erleben ihn bei der Ermittlung in einem Mordfall, richtig?“
    „Ja … “
    „Genau. Wir warten also die ganze Zeit darauf, dass er den Täter fasst. Und begreifen erst im letzten Augenblick, dass er alle - uns inbegriffen - getäuscht hat . Dass er in Wahrheit nicht einen Fall entschlüsselt - sondern verschlüsselt - dass er nicht einem Täter näherkommt, sondern selbst der Täter ist und seine eigenen Spuren verwischt! “
    Max warf Till einen Blick zu, offensichtlich besorgt, was sein Freund zu dieser Idee sagen würde.
    Till lehnte sich in den Sessel zurück und legte den Kopf auf die Rückenlehne. „Wahnsinn.“
    „Wahnsinn, was?“
    „Ich meine, hast du das wirklich geglaubt - dass du das hinkriegst?“
    „Was?“
    „Dass der Leser der Geschichte bis zum Schluss glaubt, einer Ermittlung zu folgen, um dann im letzten Satz zu begreifen, dass es … eher ein Thriller als ein Krimi ist … also eher die Geschichte eines Mordes als die Geschichte seiner Auflösung.“
    „Naja … das muss man natürlich erst noch richtig herausarbeiten … deswegen sind wir ja jetzt hier“, entgegnete Max etwas trotzig.
    „Hm … “ Tills Mundwinkel zogen sich nach unten.
    „Was?“
    „Ich fürchte, das wird nichts.“
    „Ach ja?“
    „Hmhm.“
    Max runzelte die Stirn. „Und wieso nicht?“
    „Max, das ist ein Konzept, eine Theorie, was du dir da überlegt hast - aber das kriegt man nicht hin.“ Till legte die Unterarme auf die Armlehnen des Sessels. „Also, ich nicht. So leid es mir tut, da kann ich dir nicht helfen.“
    Enttäuscht schaute Max ihn an. „Alles, was wir vorhin gesagt haben, gilt nicht mehr? So schnell?“
    Till atmete aus. Eine Zeitlang blieb er in seinem Sessel liegen, ohne sich zu rühren, den Blick auf die Wand am anderen Ende des Zimmers geheftet. Dann sah er kurz zu Max. Max wirkte, als sei er tief in Gedanken versunken, als hätten sich aus seinen Wangen, seiner Stirn und seinem Kinn Schildplatten gebildet, die sich mehr und mehr ineinanderschoben.
    „Darf ich dir etwas sagen, Max?“
    Max rührte sich nicht.
    „Dein Vater hat mir gegenüber einmal erklärt, das Wichtigste beim Schreiben sei, dass man über eine gewisse Persönlichkeit verfügt, über eine gewisse Integrität.“
    Max‘ Gesicht schien sich noch ein wenig mehr zusammenzuschieben.
    „Nach dem, was du mir da zu lesen gegeben hast, glaube ich nicht, dass du so eine Persönlichkeit hast. Glaube ich nicht, dass du das Zeug dazu hast, etwas zu schreiben, das etwas taugt.“
    Glanzlos blieb der Blick des anderen auf Till liegen.
    „Ich sag das nicht, um dich zu kränken“, fuhr Till fort, nachdem er sich ein wenig aufgerichtet hatte. „Ich sag dir das als Freund, ja?“
    Max saß da wie ein Kind, das nicht verstand, warum es angeschrien wurde. Dabei sprach Till ganz ruhig, beinahe langsam. „Du vertraust mir doch, oder?“
    Max‘ Unterlippe schob sich vor wie bei einem kleinen Jungen und er nickte.
    „Du bist nicht gut genug, Max. Das ist der Grund, weshalb es nicht klappt. Das ist keine Frage der Konzentration, der Zeit, die du investieren musst. Keine Frage des Endes, der Bemühung, des Fleißes. Dein Charakter, du selbst, Max … Max Bentheim, du bist einfach … zu kaputt, verstehst du?“ Till sah ihm mitfühlend in die Augen. „Vielleicht ist das die Schuld deines Vaters. Damals, diese Gespräche, diese Auseinandersetzungen mit ihm, vielleicht hat er dich kaputt gemacht.“ Till hielt inne, schien nachzudenken, fuhr dann fort: „Aber lassen wir mal beiseite, wie es dazu gekommen ist - jetzt bist du es einfach. Und ich glaube, dass du dir keinen Gefallen tust, wenn du wie ein Verrückter dagegen anrennst.“
    Max‘ linker Mundwinkel zog sich hoch, als versuchte er zu lächeln, was ihm aber nicht gelang. „Hör auf, Till, ist ja gut.“
    „Sicher, ich kann auch aufhören.“
    Max hatte den Blick nicht von ihm gewendet.

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