Berlin-Krimi 03 - Notlandung
einfach.«
Es war nicht das, was sie hören wollte, aber irgendwie hatte Beryl nach den letzten Telefonaten mit Rick genau diesen Eindruck gewonnen.
»Wahrscheinlich hast du recht.« Beryl seufzte. »Ich habe im Moment wohl kein Glück mit den Typen, egal ob als Liebhaber oder als Trainingskapitän, nur Idioten!«
»Beryl, ich würde jetzt so gerne was mit dir machen und endlos weiterquatschen, aber ich muss zu meinen Kindern. Gestern gab es Zeugnisse, mein Mann ist ganz aufgeregt, und ich muss dringend zum Krisengespräch nach Hause.«
»Ich bitte dich, es war schön, dass du in den letzten drei Tagen in meiner Nähe warst, allein hätte ich es mit Ralph wahrscheinlich nicht ausgehalten.«
Die beiden Frauen nahmen sich zum Abschied in die Arme, und dann stand Beryl auf einmal allein in der Halle des Flughafens.
Es war 23:30 Uhr, und sie war hellwach.
»Und nun, ins Bett, ein Bier trinken gehen, oder was?«, sagte sie zu sich selbst. Sie hatte niemanden, mit dem sie heute feiern konnte. Und allein in die Wohnung wollte sie auch nicht. Sie schlenderte zum Café, das zwischen zwei Flugsteigen lag. Die Stühle waren schon hochgestellt, und ein junger Mann war gerade dabei, sauber zu machen. Sie stand einen Moment unschlüssig herum.
»Kann ich dir helfen?«, fragte der junge Mann, der den Eimer hinstellte, sich die Hände an der Schürze trocken rieb und auf sie zukam.
»Ich wollte eigentlich einen Kaffee trinken, aber wie es aussieht, habt ihr schon Feierabend.«
»Ja, eigentlich ist schon zu. Aber du siehst so aus, als ob du dringend einen Kaffee benötigst. Ich habe noch welchen in der Thermoskanne, lauwarm, aber den bringe ich dir auf Kosten des Hauses.«
Sie wollte etwas sagen, aber da war er schon weg und kam bald darauf mit einer Kaffeetasse in der Hand zurück. Er nahm zwei Stühle von einem der Tische herunter, und sie setzten sich mitten im Raum einander gegenüber hin.
»Ich heiße Lennard. Kellner, Tellerwäscher und Mädchen für alles.«
»Ich bin Beryl.«
»Du bist Pilotin?«, fragte er mit Blick auf ihre beiden goldenen Streifen am Sakko.
»Fast, frischgebackene Pilotin, um genau zu sein, die gerade das erste Mal auf Linie geflogen ist.«
»Wow, und wie war es?«
»So, wie ich es mir immer vorgestellt habe, einfach nur geil.«
»Besser als Sex?«
»Vergiss den Sex.« Beide lachten sich an.
»Das ist mal eine klare Antwort. Schön, dass du noch auf einen Kaffee vorbeigekommen bist. Eigentlich habe ich heute Geburtstag, und ich habe mir etwas Schönes gewünscht.«
»Das verstehe ich jetzt nicht?«
»Ich wollte schon immer mal eine Frau von Nahem sehen, die die großen Dinger fliegen kann. Ich stehe hier und putze den Boden oder bediene die Leute, aber wenn ich hinausschaue, sehe ich die Flugzeuge ankommen und abfliegen. Hier vom Café aus kann man bequem in die Cockpits der Flieger sehen. Und um ehrlich zu sein, mein Geburtstag war bisher ein ziemlich langweiliger Tag. Du bist die erste nette Überraschung.«
Das Ganze kam ihr komisch vor, sie sah den jungen Mann an. Er hatte schöne Augen, und er war kein Spinner.
»Herzlichen Glückwunsch, Lennard. Wie alt bist du geworden?«
»22.«
»Tut mir leid, dass dein Tag nicht so richtig festlich war.«
»Und das Schlimmste kommt noch, darum trödele ich hier auch so rum.«
»Familienfeier?«
»Viel schlimmer: Abitreffen!«
»Oh.«
»Genau.«
»Eine alte Schülerliebe, die du nicht wiedersehen willst?«
»Wenn es nur das wäre«, er seufzte. »Heute Abend werden alle erzählen, wie toll sie sind und was sie alles erreicht haben. Und ich? Mich hat es gerade das zweite Mal durchs Vordiplom in Mathematik gehauen, das war es dann, jetzt kommt die Zwangsexmatrikulation. Ich werde mir wohl oder übel was anderes suchen müssen, zwar unschön, aber ich werde es überleben. Das Spießrutenlaufen heute Abend allerdings, die ständigen Fragen und die Häme, die mich erwarten, das wird hart, richtig hart.«
»Klingt nicht gut. Aber du wirst auch ein paar alte Freunde treffen, oder?«
Er schüttelte den Kopf.
»Nicht aus meiner Schulzeit. Ich bin auf ein Gymnasium in Zehlendorf gegangen, da hatten alle Kohle und reiche Eltern. Wirklich alle, außer mir. Ich war der Außenseiter, habe mich beschissen gefühlt, jede einzelne Minute. Und jetzt gehe ich hin und bin wieder der Underdog. Eigentlich wollte ich kneifen.«
»Aber?«
»Meine Mutter hat immer gesagt: Gekniffen wird nicht. So was prägt. Und vor allem ist sie nicht mehr da, wenn
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