Berlin-Krimi 03 - Notlandung
sie jetzt von da oben zuguckt, wie ich den Schwanz einziehe … Das kann ich einfach nicht machen.«
Beryl musste an ihre eigene Mutter denken, die vor zwei Jahren gestorben war.
»Aber wahrscheinlich versuche ich die ganze Zeit, einen Grund zu finden, doch kneifen zu dürfen. Ich habe mich heute nicht sehr beeilt, alles zweimal geputzt. Aber eigentlich bin ich jetzt fertig, es gibt einfach keinen Grund mehr, hier zu sein. Sobald du den Kaffee ausgetrunken hast, werde ich los müssen. Also lass dir Zeit. Aber warum bist du eigentlich jetzt hier und nicht auf einer Feier für die frischgebackene Pilotin?«
Beryl wich seiner Frage aus.
»Ich wollte eigentlich etwas Gutes tun, heute noch, aus Dankbarkeit, weil für mich ein Traum in Erfüllung gegangen ist. Ich habe noch keine feste Vorstellung, wie ich das anstellen soll. Vielleicht jemandem ein Dutzend Obdachlosenzeitungen abkaufen oder einem Bettler 50 Euro geben, irgendetwas in der Art. Aber stattdessen schnorre ich einen Kaffee.«
Er sah sie fragend an.
»Du könntest mich zum Klassentreffen begleiten.«
Das Gespräch war sehr intim geworden, und sie fühlte sich plötzlich gar nicht mehr wohl.
Lennard bemerkte ihr Zögern.
»Eine blöde Idee, Entschuldigung. Mach dir keine Gedanken wegen des Kaffees. War mir wirklich ein Vergnügen.« Er stand auf und ging langsam zum Tresen.
»Ich mache das hier fertig, bleib einfach so lange sitzen, wie du magst. Stell nachher bitte nur den Stuhl auf den Tisch.«
Sie sah ihm nach, er ging in einen Raum hinter dem Tresen und kam kurz darauf ohne Schürze und in einer alten Jeansjacke wieder heraus. Er schloss die Tür ab, sie sah, dass er tief Luft holte und dann den Rucksack aufsetzte. Er lächelte sie an, als er an ihr vorbeikam.
»Ein passender Name, bestimmt wurdest du nach Beryl Markham benannt. Deine Eltern wollten offensichtlich auch, dass du einmal Pilotin wirst. Hab noch einen schönen Abend, Beryl.«
Sie sah ihm nach.
»Warte einen Moment, Lennard. Du weißt, wer Beryl Markham war?«
Lennard drehte sich lachend um.
»Ich habe die Stadtbibliothek bei uns an der Ecke gewissermaßen durchgelesen. Und da gab es auch die Biografie von Beryl Markham. Ich habe ihr Buch ›Westwärts mit der Nacht‹ bestimmt ein Dutzend Mal gelesen. Wie gesagt, ich wollte immer mal eine Frau treffen, die fliegen kann. Und dann heißt du auch noch Beryl. Verrückt, oder? Schätze mal, das ist mein Geburtstagsgeschenk.«
»O. K., Lennard, ich komme mit. Ich muss nur kurz nach Hause und mich umziehen.«
»Es ist schon ziemlich spät, komm doch einfach so mit.«
»In der Uniform?«
»Genau.«
»Also, ich komme mir echt blöd vor.«
»Dann sind wir schon zu zweit.«
Sie seufzte, nickte und folgte ihm.
»Mein Wagen steht im Parkhaus, gar nicht weit von hier.«
Er warf ihren Koffer in den Kofferraum seines Wagens.
»Es wird nicht lange dauern. Bis wir da sind, ist das Ganze schon fast wieder vorbei. Wir gehen rein, sagen kurz ›Hallo‹, erzählen allen, die es hören wollen, dass es mich an der Uni erwischt hat, hören uns die Erfolgsgeschichten an, trinken etwas auf deine goldenen Streifen und meinen Geburtstag.«
Beryl saß auf dem Beifahrersitz, sagte nichts und war sich immer noch unsicher, ob sie das Richtige tut.
»Ich bin dir wirklich dankbar, dass du mitkommst, Beryl.«
Sie sah ihn an, er lachte, zum ersten Mal an diesem Abend.
»Wo fahren wir hin?«
»Die Feier findet in einem Lokal in Charlottenburg statt. In der Nähe vom Savignyplatz, in einem der Szenelokale unter den S-Bahnbögen.«
Als sie ausstiegen, war Beryl ziemlich flau im Magen. Auf was hatte sie sich da eingelassen?
»Da drüben, da müssen wir rein. Bist du so weit?«
»Nein, und du?«
»Auch nicht, also gehen wir!«
»Na, dann los.«
Er öffnete die Tür und ließ ihr den Vortritt.
Es war eine kleine Bar, es war voll und laut.
»Mensch, Lennard, wir haben dich schon vermisst. Wir dachten schon, du kommst gar nicht mehr.«
Zwei junge Männer kamen auf ihn zu, und einige andere unterbrachen ihre Gespräche und sahen jetzt in ihre Richtung.
»Tut mir leid, ich musste, äh, musste erst eine Freundin vom Flughafen abholen. Wir sind dann so schnell gekommen wie möglich.«
»Hallo, ich bin Beryl, Lennards Freundin.«
Lennard sah sie fragend an. Beryl übersah das.
»Tut uns leid, dass wir so spät kommen, meine Schuld. Ich habe es nicht mal geschafft, mich umzuziehen, und komme mir ziemlich blöd vor in dem Aufzug. Aber Lennard wollte
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