Berlin-Krimi 03 - Notlandung
ganze Mythos vom Stewardess-Sein ist auch Blödsinn. Das mit dem Die-Welt-Sehen hat sich ziemlich relativiert, und die Männer im Cockpit sind auch nicht so toll, wie ich mir das immer vorgestellt habe.«
Beryl lachte.
»Und die Frauen?«
»Die Frauen im Cockpit? Beryl, die sind besser, eindeutig besser!«
»Mal im Ernst, Jenny. Wie weit bist du mit deinem Studium?«
»Ich hänge mich seit zwei Jahren ziemlich rein. Ich schätze mal ein Jahr noch oder zwei.«
»Und dann?«
»Das habe ich mir noch nicht so richtig überlegt. Vielleicht in die Verwaltung von Filomena Airways wechseln oder so. Ich würde die Fliegerei ungern an den Nagel hängen. Und du?«
»Ich denke darüber nach, vielleicht mal eine Auszeit zu nehmen, ein Jahr oder so. Und dann weitersehen. Ich könnte mich auch mal umsehen, muss nicht unbedingt Filomena Air sein, für die ich arbeite.«
»Mach langsam, Beryl. Wart mal ab, wie sich das mit Denis und dir weiterentwickelt. Und wenn es zwischen euch wirklich mal vorbei sein sollte, dann arbeite lieber darauf hin, es ohne Rosenkrieg zu beenden. Das ist in jedem Fall besser, als jetzt schon über eine neue Fluglinie nachzudenken. Allein schon wegen mir, du bist immer noch mein Lieblingskapitän.«
Beryl musste lachen.
»Wie lange seid ihr jetzt eigentlich schon zusammen?«
»Es werden wohl schon fast fünf Jahre sein. Wir haben auch schon über das Heiraten nachgedacht. Aber nach gestern Abend?«
»Beryl, es war ein schlechter Abend, und ein Streit kommt in den besten Beziehungen vor.«
»Ich bin mir nur nicht sicher, ob es tatsächlich nur ein Streit war, oder mehr.«
Jenny seufzte.
»Wer weiß? Warten wir mal ab, was du in ein paar Tagen darüber denkst, und amüsieren wir uns in der Zwischenzeit etwas. Siehst du die beiden Ragazzi da drüben? Die glotzen uns schon die ganze Zeit an! Was hältst du von einem kleinen Flirt, nur um auf andere Gedanken zu kommen?«
»Versuchen wir es, wenn ich mir noch länger selbst leidtue, wird es auch nicht besser.«
Jenny drehte sich zum Tisch mit den beiden jungen Männern um, lächelte hinüber und hielt ihr leeres Weizenbierglas nach oben. Die beiden Männer standen auf und kamen lächelnd zu ihnen rüber.
»Wie einfach die Kerle doch gestrickt sind«, stellte Jenny fest, während sie die entgegenkommenden Männer anlächelte.
»Ich habe nie verstanden, warum man denen erlaubt, so ein komplexes System wie ein Flugzeug zu bedienen. Vor allem, da das doch Multitasking-Fähigkeiten erfordert, was Männern ja bekanntlich völlig abgeht. Ich fühle mich jedenfalls sicherer, wenn eine Frau mit im Cockpit sitzt und ein Auge auf alles hat. Hi guys, what’s up?«
7
Lennard Schröder saß morgens in seinem Büro in Palma de Mallorca und sah sich das Fax an, das gerade aus den Staaten gekommen war.
Er sollte Erkundigungen über eine Beryl Bogner einholen, Pilotin der Filomena Airways, Wohnsitze in Berlin und auf Mallorca. Die Zielperson soll zurzeit in Palma sein. Es wurde eine 48-Stunden-Observation angefragt, man wollte alles über die Frau wissen, was sie tut, wohin sie geht, mit wem sie sich trifft. Man hatte ein Foto mitgeschickt. Er hatte Beryl sofort erkannt, sie war etwas älter geworden, aber sonst hatte sie sich kaum verändert. Eigentlich sah sie noch besser aus als damals.
Lennard ging ans Fenster und sah über das Mittelmeer. Er hatte den Abend in Berlin nie vergessen. Das Abitreffen und die junge, frischgebackene Pilotin. Er war ziemlich enttäuscht gewesen, dass Beryl sich nie gemeldet hatte. Die erste Zeit danach hatte er noch oft an sie gedacht, aber er war sich sicher gewesen, dass sie sich irgendwann wieder einmal über den Weg laufen würden. Mit der Zeit hatte er sie fast vergessen. Aber jedes Mal, wenn er in ein Flugzeug der Filomena Air stieg, erwartete er gespannt die Ansage aus dem Cockpit und hoffte, ihre Stimme zu hören.
Und jetzt lag dieses Fax auf seinem Schreibtisch. Beryl war also hier auf Mallorca. Aber warum wollten die Las-Vegas-Jungs sie observieren lassen? Und überhaupt, wie lange war es her, dass er Beryl getroffen hatte? Er überlegte kurz, es musste fast zehn Jahre her sein.
8
Zehn Jahre vorher
Beryl war gerade in Berlin-Tegel gelandet. Vor drei Tagen hatte sie zum ersten Mal eine Boeing 737 mit mehr als 100 Menschen an Bord geflogen. Die letzten Tage erschienen ihr als die schwierigsten der ganzen Ausbildung. Ralph Birge, ihr Trainingskapitän, war ein unangenehmer Kerl. Beryl fand ihn vom ersten Moment
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