Berlin-Krimi 03 - Notlandung
dann zu der Zwei-Mann-Methode übergegangen. Die Idee hierbei war, dass der Kartenzähler, also der, der das Spiel beobachtet, nicht selbst spielt, sondern das jemand anderen machen lässt. Der Spieler kommt erst in dem Moment dazu, wenn er vom Kartenzähler am Tisch einen entsprechenden Hinweis bekommen hat. Bei solch einer Rollenverteilung hat man gute Chancen, dass es unbemerkt bleibt. Zumindest hatte ich mir das so überlegt. Voraussetzung für diese Weiterentwicklung der Kartenzählmethode war jedoch, dass ich jemanden finden musste, der mitmacht. Und so habe ich Stefanie überredet.«
»Stefanie?«
»Du erinnerst dich doch, wir waren nach der Abifeier in Berlin zusammen unterwegs?«
»Klar, deine Freundin seit dem Kindergarten.«
»Genau. Und wir sind es dann zusammen angegangen, mit verteilten Rollen, einer beobachtete und der andere stieg zu einem möglichst späten Zeitpunkt als Spieler ein. Wir haben in der Spielbank in Berlin und dann in Hamburg ein paar Zehntausende gewonnen und sahen unsere Zukunft schon in Rosarot. Aber später in Baden-Baden sprach man mich dann plötzlich an, als ich auf dem Weg von der Toilette zurück zum Spieltisch war. Man bat mich recht überzeugend zu folgen, und ich wurde in ein Hinterzimmer geführt. Dort saßen Dimitrios Goutsiou und Stefanie, die sie auch schon eingefangen hatten. Heute sind wir drei dicke Freunde, aber damals war das alles andere als angenehm. Dimitrios hatte eine Sicherheitsfirma und kümmerte sich unter anderem um die Spielbanken. Ohne dass wir es bemerkt hatten, waren wir schon in Berlin und Hamburg aufgefallen. Als wir dann später in Baden-Baden anfingen, kam er extra rübergejettet, hat uns beobachtet, und am zweiten Tag haben sie uns dann geschasst.
Was ich damals noch nicht wusste: In Amerika hatten einige die Kartenzählmethode auch schon mit verteilten Rollen probiert. Eine Gruppe von MIT-Studenten hatte in den Spielcasinos in Las Vegas richtig Geld abgezockt. Keiner weiß, wie viel, aber es sollen angeblich mehrere Millionen gewesen sein, bis sie schließlich aufgeflogen sind. Es war den Casinos natürlich aufgefallen, dass auf einmal sehr viel an den Black-Jack-Tischen gewonnen wurde. Mithilfe der Überwachungskameras hatte man Fotos von den Gewinnern gemacht. Dimitrios hatte dann zusammen mit einem amerikanischen Kollegen den Auftrag bekommen, das Ganze zu untersuchen. Ihnen fiel schließlich auf, dass fast alle Gewinner in Boston wohnten. Als sie die Fotos aus den Casinos mit den Jahrgangsbüchern des MIT verglichen, wurde schnell klar, dass es sich fast ausnahmslos um MIT-Studenten handelte. Von da war es nicht mehr weit, auch den Rest der Geschichte herauszubekommen. Seitdem haben sie in allen Spielbanken auf der Welt ein Auge auf Kartenzähler, auch auf solche, die in Gruppen arbeiten, um nicht aufzufallen. Das wussten wir damals alles nicht, aber vor diesem Hintergrund war es natürlich nicht verwunderlich, dass wir sehr schnell aufgeflogen sind. Dimitrios redete nicht groß drum herum, sondern sagte uns, dass er genau wisse, was wir getan haben, und dass wir in Zukunft für alle europäischen Spielbanken gesperrt seien. Außerdem würde er unsere Daten auch weltweit an alle seriösen Spielbanken weitergeben. Was sollten wir machen? Wir gaben es zu, warum auch nicht, es war schließlich nicht verboten, wir hatten einfach nur versucht, das Spiel zu überlisten. Immerhin hatten Stefanie und ich bis dahin fast 30.000 Euro abgezockt, für uns damals ein kleines Vermögen. Aber ob verboten oder nicht, Dimitrios erklärte uns, dass sie versuchen würden, das Geld von uns zurückzuholen. Wir sollten uns auf eine ganze Reihe von Gerichtsprozessen einstellen. Und selbst wenn wir das Geld nicht zurückgeben müssten, würden die Anwaltskosten alles auffressen. Sie wollten dafür sorgen, dass wir keinen Vorteil aus unserer Idee ziehen konnten, um damit alle abzuschrecken, die das Gleiche versuchen wollten. Die hatten damals ziemlich die Schnauze voll von Kartenzählern.
Stefanie und ich hatten einfach keine Lust, uns diesen Typen zum Feind zu machen, und waren davon überzeugt, dass er jedes Wort ernst meinte. Wir wollten da nur noch raus, also boten wir ihm an, das Geld zurückzugeben. Am Ende des Abends war das ganze schöne Geld wieder weg, aber wir hatten einen neuen Job.«
»Einen Job?«
»Genau. Dimitrios brauchte Spezialisten für Scientific Black Jack. Die Geschichte fing an, sich herumzusprechen, auch oder gerade weil es in Amerika
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