Berlin-Krimi 03 - Notlandung
Stoff vorhanden, und außerdem war es ihr egal. Sie betrachtete ihre nackten, lackierten Zehen.
»Ich habe vorhin die Schuhe ausgezogen, und dann war nicht genug Zeit, sie wieder anzuziehen«, stellte sie entschuldigend fest. »Ich bin zum ersten Mal eine Boeing im Rock und ohne Schuhe geflogen. Geht auch.«
Lennard betrachtete das Handyfoto. »Wie war das doch gleich mit der Prämie?«
»Ich warne dich, Lennard.« Beryl holte tief Luft. »Andererseits ist es mir auch ziemlich egal. Mach doch, was du willst, der Tag ist sowieso irgendwie im Arsch, wenn du mich fragst.«
»Was war los, Beryl?« Angela merkte jetzt, da sie saß, wie die enorme Anspannung der letzten Stunde langsam nachließ.
»Ich habe keine Ahnung, die beiden im Cockpit waren bewusstlos, obwohl sie ihre Sauerstoffmasken aufhatten. Und die Alarmmeldung für den Druckabfall ist auch nicht angegangen. Und siehst du das da drüben? Der Schalter steht auf automatische Regulierung des Kabinendrucks.«
»Und das heißt?«
»Das heißt, ich verstehe es nicht! Der Kabinendruck hätte automatisch ausgeglichen werden müssen, als die Maschine an Höhe gewann, aber genau das hat offensichtlich nicht funktioniert. Dann hätte aber bei 15.000 Fuß ein Alarm ausgelöst werden müssen, der anzeigt, dass mit dem Druck in der Kabine etwas nicht stimmt. Aber der Alarm hat offensichtlich auch nicht funktioniert! Und dann hat wohl auch noch die Sauerstoffversorgung hier im Cockpit versagt. Denn die beiden hatten ihre Sauerstoffmasken auf und sind trotzdem ohnmächtig geworden.«
»Das heißt, drei unabhängige Systeme haben gleichzeitig versagt?«, stellte Lennard ziemlich fassungslos fest. Er konnte sich nur schwer von dem Handyfoto lösen. Beryl sah faszinierend aus, ihre langen Beine auf der Konsole und der kurze, hochgerutschte Rock. Er war sich sicher, das Foto würde die Fußballmannschaft zu Begeisterungsstürmen hinreißen. Aber schließlich steckte er das Handy ein und sah Beryl an.
»Ja, genau danach sieht es aus, Lennard. Drei unabhängige Systeme müssen gleichzeitig versagt haben, zumindest sieht es für mich auf den ersten Blick so aus.«
»Ich dachte immer, die Dinger wären so ausgelegt, dass so etwas nie passieren kann?«
»Wem sagst du das, Angela?«
»Ihr müsst entschuldigen, dass ich noch einmal nachfrage, ich hab das noch immer nicht ganz verstanden mit dem Druck?« Lennard konnte sich keinen richtigen Reim auf all das machen.
»Eigentlich recht einfach: Wenn die Maschine nach oben geht, nimmt der Druck in der Kabine kontinuierlich ab, genauer gesagt der Sauerstoffpartialdruck. Je höher wir kommen, desto weniger Sauerstoff nehmen wir mit jedem Atemzug auf. Genau das Gleiche passiert auch, wenn du auf einen Berg steigst. Weil wir in großer Höhe nicht mehr richtig atmen können, haben die Flugzeuge eine Druckkabine, der Luftdruck wird also künstlich erhöht.«
»Und warum habe ich dann beim Starten und Landen immer diesen Druck in den Ohren?«
»Der Druck in der Kabine wird während des Fluges etwas geringer gehalten als am Boden, etwa so, wie er in 2.500 Metern Höhe herrscht. Das hat auf das Wohlbefinden der Passagiere wenig Einfluss, schont aber das Material. Je größer der Druckunterschied zwischen hier drinnen und draußen, desto größer die Belastung für die Flugzeughülle. So ein Flugzeug ist oben einige Zentimeter breiter als am Boden, durch den enormen Druckunterschied dehnt es sich so weit aus, um dann später wieder zu schrumpfen.«
»Also, nur um sicherzugehen, dass ich das richtig verstanden habe. Wenn das Flugzeug höher als 2.500 Meter steigt, nimmt der Druck in der Kabine nicht weiter ab, draußen wird der Druck aber ständig geringer?«
»Genau, das Ganze läuft automatisch. Hier, dieser Schalter steht auf ›auto‹.«
»Und wenn das mit dem automatischen Druckausgleich nicht funktioniert? Was dann?«
»Dann passiert genau das, was wir eben erlebt haben: In der Maschine herrscht dann stets der gleiche Luftdruck wie außerhalb.«
»Mit anderen Worten, wir sind hochgegangen, und der Druck hat ständig abgenommen?«
»Genau so war es wohl.«
»Aber gemerkt habe ich davon anfangs gar nichts.«
»Das ist das Tückische daran, der Luftdruck nimmt langsam ab. Es dauert eine Weile, bis du das mitbekommst, und wenn du es endlich registrierst, ist es oft schon zu spät. Wenn ich mich richtig an die Ausbildung erinnere, in 10.000 Meter Höhe oder 33.000 Fuß, das ist so die Höhe, in der Jets normalerweise unterwegs
Weitere Kostenlose Bücher