Berlin-Krimi 03 - Notlandung
sind, da hast du bei einem plötzlichen Druckabfall 20 Sekunden Zeit, das Richtige zu tun. Danach bist du bewusstlos oder fängst zumindest an, Blödsinn zu machen.«
»Aber hinten sind die Sauerstoffmasken rausgeflogen.«
»Ein unabhängiges System schmeißt die Dinger raus, wenn der Druck in der Kabine zu weit abfällt. Das hat funktioniert – im Gegensatz zu den Systemen im Cockpit. Hier hat offensichtlich so ziemlich alles versagt. Wir wussten in der Kabine wahrscheinlich eher, dass wir ein Druckproblem haben, als die Kollegen hier vorne. Wir haben die Masken aufgesetzt, und alles war in Ordnung.«
»Und hier im Cockpit?«
»Tja, wer weiß? Die haben wohl erst sehr spät etwas von dem Problem mitbekommen. Zumindest müssen sie irgendwann gewusst haben, dass etwas mit dem Druck nicht stimmt, sonst hätten sie die Sauerstoffmasken nicht aufgesetzt.«
»Aber die haben auch nicht funktioniert?«
»Würde ich so vermuten wollen. Warum hätten die beiden sonst das Bewusstsein verlieren sollen? Offensichtlich hatten sie auch nicht mehr genug Zeit, denn wenn sie die gehabt hätten, wären sie so schnell wie möglich runtergegangen. Sie hätten genau dasselbe getan, was ich getan habe. Standardverfahren, zigmal im Simulator durchgespielt, das macht jeder Pilot im Schlaf. Angela, du bist doch mal Krankenschwester gewesen, wann fühlt man den Sauerstoffmangel?«
»Wenn ich mich richtig erinnere, kann das von Person zu Person ziemlich unterschiedlich sein. Mancher reagiert mit Kopfschmerzen, Kribbeln in den Händen, einige merken aber auch gar nichts und werden einfach ohnmächtig. Vor allem wenn der Druckabfall langsam erfolgt, so, wie bei uns heute, ist es subjektiv schwer festzustellen. Wenn du auf einen Berg steigst, merkst du sehr schnell, dass du kurzatmig wirst. Aber hier sitzen wir ziemlich untätig rum, das heißt, der Körper versucht, den Mangel an Sauerstoff auszugleichen. Das Herz wird wahrscheinlich schneller schlagen, die Atmung wird schneller oder tiefer, aber das muss man nicht unbedingt bemerken. Und genau das ist das Tückische an einer Hypoxie, also der Sauerstoffunterversorgung des Körpers. Ich habe jedenfalls nichts bemerkt, erst als die Masken rausflogen, war mir klar, dass wir ein Problem haben. Und kurz darauf wurde dann auch das Atmen merklich schwerer.«
»Als die beiden im Cockpit endlich mitbekommen haben, was los ist, hatten sie also nicht mehr genug Zeit zu reagieren?«
»Genau, Lennard, dazu kommt dann noch ein Euphoriegefühl, typische Begleiterscheinung der Hypoxie. Du denkst, alles ist prima und toll, so, wie es ist. Warum also was tun?«
»Klingt irgendwie logisch. So muss es sich abgespielt haben.«
Beryl streckte sich. Lennard holte noch einmal sein Handy vor.
»Lennard, ich warne dich ernsthaft.« Er ließ das Handy wieder in der Tasche verschwinden.
»Entschuldigung, muss eine Nachwirkung des Sauerstoffmangels sein, den ich erlitten habe.«
»Wer weiß, was wirklich vorgefallen ist. In jedem Fall wird man das in allen Einzelheiten untersuchen. Hier schwärmen demnächst Dutzende von Experten rein und werden jede Schraube unter die Lupe nehmen. Ich will ja kein Partyverderber sein, aber ich glaube, für mich wird es Zeit, von Bord zu gehen. Wie sieht es bei euch aus?«
»Keine Widerrede von meiner Seite, Beryl.«
»Dann lasst uns gehen.«
Gemeinsam verließen die drei das Flugzeug, ein Wagen brachte sie zum Flughafengebäude.
Sie waren gerade im Flughafengebäude angekommen, als Beryls Handy klingelte.
»Hallo Beryl, hier ist Carl. Ich habe gehört, du hast die Maschine heil runtergebracht.«
»Hallo Carl. Ja, so weit alles okay, aber die beiden aus dem Cockpit sind im Krankenhaus, ich habe noch keine Informationen, wie es ihnen geht.«
»Ich sitze noch im Kontrollzentrum auf Mallorca, aber ich mache mich gleich auf den Weg nach Barcelona. Ich schätze mal, da wird der Teufel los sein – Untersuchungen, Berichte und so weiter, da will ich vor Ort sein.«
»Carl, irgendwie ist das alles komisch, die Alarm…«
Carl schnitt ihr das Wort ab.
»Beryl, bitte nicht am Handy, lass uns das besprechen, wenn ich bei euch bin.«
»Du hast recht, bis gleich«.
»Das war Carl, unser Chefpilot«, sagte sie zu den beiden, die sie fragend ansahen, »er ist auf dem Weg hierher.«
Die Passagiere waren in einen abgesperrten Warteraum im Flughafenterminal gebracht worden. Ärzte und Psychologen kümmerten sich dort um sie. Aber es gab nicht viel für sie zu tun, die
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