Berlin Wolfsburg (German Edition)
guckst ein
paar Akteneinträge in eurem Computer durch – ihr seid doch zumindest digital
immer auf dem neuesten Stand, wenn ich mich nicht irre – und rufst mich in
einer Stunde an. Das hat außerdem den Vorteil, dass du die Sache gleich wieder
vom Tisch hast.«
Räuspern. »Warum sollte ich mir ein Bein ausreißen?«
Annegret Kuhl lächelte. »Weil du neugierig geworden bist und mir
nicht widerstehen kannst. Bis nachher.«
Michael Rossbach meldete sich gut zwei Stunden später. Inzwischen
hatte Annegret Kuhl eine Stunde auf ihrem Crosstrainer geschwitzt, zwanzig
Minuten Yoga hinterhergeschoben und sich schließlich trotz der sommerlichen
Wärme ein duftendes Schaumbad gegönnt. Als das Telefon klingelte, bereitete sie
gerade Gemüse im Wok zu. Stift und Zettel lagen bereit. Sie setzte sich mit dem
Telefon an ihren Schreibtisch im Arbeitszimmer. »Und? Hast du was gefunden?«
»Kann sein«, erwiderte Michael Rossbach. »Im März gab es einen Fall,
der dich im genannten Zusammenhang wahrscheinlich interessieren dürfte. Eine
junge Frau wurde von drei Männern vergewaltigt. Ziemlich widerliche Geschichte.
Sie war mit einem Muslimen verlobt. Der junge Mann hatte zusehen müssen …«
Annegret Kuhl schloss kurz die Augen. »Und?«, fragte sie dann.
»Keine Spuren aufgrund von DNA -Analysen?«
»Doch, aber es fanden sich keine Entsprechungen in der Datenbank,
und die Beschreibungen der beiden waren zu ungenau – sie widersprachen sich
teilweise. Kurzum: Die Täter konnten nicht ermittelt werden. Vogt hat den Fall
recht flott abgeschlossen, und der zuständige Staatsanwalt, mein Kollege Frank
Parsner, hatte dem nichts hinzuzufügen.«
»Eine junge Frau wird brutal vergewaltigt, und es findet sich nicht
ein einziger verwertbarer Hinweis, dem nachgegangen werden kann?«, wandte
Annegret Kuhl in nachdenklichem Ton ein.
»Du weißt doch, wie das manchmal ist – die drei Zeugen, die sich
melden oder aufgetrieben werden können, reden nur Stuss oder widersprechen sich
gegenseitig oder beides«, erörterte Rossbach. »Das überzeugt keinen Richter.
Und selbst wenn sich ein Ansatzpunkt findet, tauchen plötzlich hervorragende
Alibis auf, oder Fristen laufen ab. Was hilft’s da, noch lange herumzusuchen?
Und ich muss dir kaum erläutern, wie voll unsere Schreibtische sind – wir sind
auch froh über jedes eingestellte Verfahren.«
Annegret Kuhl runzelte die Stirn. »Ja, ich weiß, was du meinst. Hast
du sonst noch was über Vogt herausfinden können?«
»Ich hab mal ein paar alte Verbindungen spielen lassen«, erwiderte
Rossbach, und eine Portion Selbstgefälligkeit schwang unüberhörbar in seiner
Stimme mit. »Der Mann galt als ein bisschen protzig. Hat viel Geld ausgegeben
und sich gerne in den Mittelpunkt geschoben. Aber ansonsten ein netter Kerl,
den alle mochten.«
»Okay, Michael. Ich danke dir erst mal«, sagte Annegret. »Ich geb
das ohne Namensnennung als Internes weiter.«
»Ich bitte darum. Ich hab keine Lust, wegen –«
»Hab ich verstanden, Kollege«, versicherte Kuhl rasch. »Deine
unbürokratische Hilfe wird dir nicht auf die Füße fallen. Kann man dir
eigentlich gratulieren? Wenn ich mich recht erinnere, wolltest du doch der
nächste leitende Oberstaatsanwalt in Hildesheim werden.«
»Ja, will ich immer noch, aber daraus wird nichts«, brummelte
Rossbach. »Wir kriegen Verstärkung aus der Hauptstadt. Ab Januar ist Robert
Scheidner der neue Chef der Staatsanwaltschaft.«
»Oh, tut mir leid für dich.«
»Schon gut. Vielleicht ein anderes Mal. Oder ich bewerbe mich in
Celle. Soll eine schöne Stadt sein.«
»Ich drück dir die Daumen.«
»Gehen wir mal essen, wenn ich in Braunschweig bin oder du in
Hildesheim zu tun hast?«
Kuhl seufzte.
»Schon verstanden.«
Die Staatsanwältin beendete das Gespräch und setzte sich zum Essen
auf den Balkon. Der ganz große Appetit war ihr jedoch vergangen.
***
Die Luft in Marenis Büro war stickig, und der Mann wirkte
betreten. Seine Locken lagen auch nicht ganz so perfekt wie am Tag zuvor.
Johanna musterte ihn abwartend, nachdem sie Platz genommen hatte.
»Woher wissen Sie von Karim Celik?«, fragte er leise.
»Spielt das eine Rolle?«
Er zuckte mit den Achseln.
»Erzählen Sie doch einfach, was Ihnen aufgefallen ist«, bat Johanna
ihn in dezent ungeduldigem Ton. Der Tag war lang gewesen.
»Na schön. Celiks blutverschmierte Kleidung musste natürlich
kriminaltechnisch untersucht werden«, hob Mareni an. »Ansdorf hat die
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