Berlin Wolfsburg (German Edition)
könnten?«
»Ich will gar nichts andeuten. Ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen
stellen, die sich mir beziehungsweise uns«, sie wies auf Luca Mareni, der artig
neben ihr saß, »bei der Beschäftigung mit Ihrem Fall aufgedrängt haben.«
»Nun gut. Fragen Sie. Aufklären werden Sie die Geschichte ohnehin
nicht mehr.« Karims rechtes Augenlid zuckte, und er hatte Mühe, seine Hände
ruhig zu halten.
Johanna war sicher, dass er nicht gut schlief. »Was haben Sie in
jener Nacht getragen, als Sie die Diskothek verließen?«
Ein flüchtiges Lächeln huschte über Karims Gesicht. »Ich weiß,
worauf Sie hinauswollen – meine Jacke und der Pullover sind in dem Techniklabor
in Hannover verloren gegangen. Ich hatte den Kommissar darauf angesprochen. Er
konnte sich das überhaupt nicht erklären.« Celik machte eine wegwerfende
Handbewegung. »Es waren sehr schöne Kleidungsstücke, die ich sehr schätzte,
aber wenn es weiter nichts –«
»Sie waren mit großer Wahrscheinlichkeit voller Blut und anderer
Spuren, die für die Täterermittlung bedeutsam gewesen wären«, fiel Johanna ihm
ins Wort.
Celik lehnte sich zurück. »Ich habe den Kommissar so verstanden,
dass die Spuren durchaus gesichert wurden und die Sachen erst im Zuge der
Rückgabe verschwanden«, wandte er erstaunt ein.
»Das haben Sie wohl missverstanden«, entgegnete Johanna zögernd,
doch sie ging jede Wette ein, dass Celik sich nicht verhört hatte.
»Ich bin mir sicher, dass Kommissar Ansdorf sich genau so äußerte.
Außerdem lagen meine anderen Sachen dem Institut doch auch vor«, beharrte der
junge Mann.
»Die Spuren an Ihrer Hose, der sonstigen Wäsche und an den Schuhen
waren für die entsprechenden Analysen kaum zu gebrauchen und führten zu
keinerlei Ergebnissen, geschweige denn Erkenntnissen«, erwiderte sie betont
sachlich.
Celik warf Luca Mareni einen Blick zu, als erhoffte er sich von ihm
eine anderslautende Einschätzung. Dann zuckte er mit den Achseln. »Was soll’s?
Die haben Handschuhe getragen. Außerdem gab es ohnehin keine Spur, wie Sie ja
wissen, auch nicht in Bezug auf das salmonellenverseuchte Restaurant meines
Vaters.«
»Ja, so lautete das Resümee von Ansdorf«, stimmte Johanna lapidar
zu. Ihr mulmiges Gefühl verstärkte sich von Minute zu Minute, und sie hoffte,
dass es sich nicht auf ihrem Gesicht abzeichnete. »Seit den Geschehnissen sind
mittlerweile einige Monate ins Land gegangen. Ist Ihnen inzwischen mal eine
Idee gekommen, warum diese Leute ausgerechnet Sie angegriffen haben oder welche
Ursache dem Ganzen zugrunde liegen könnte?«
»Nein.«
»Sie könnten sich unbeliebt gemacht haben«, schlug Johanna vor. »Gar
keine Idee dazu?«
»Jetzt fangen Sie schon an wie Ansdorf«, entgegnete Celik leicht
gereizt. »Der war der Meinung, dass ich die Typen kannte oder zumindest eine
Ahnung hatte, woher der Wind wehte. Zwischen den Zeilen war deutlich zu hören,
dass er auf einen muslimisch angehauchten Kleinkrieg tippte – irgendeine miese
Türkengang überfällt eine andere miese Türkengang, und der Polizei sagt man
natürlich nichts, Ehrensache …« Er warf ihr einen provozierenden Blick zu, den
Johanna gelassen wegsteckte. »Was er unberücksichtigt ließ, ist die schlichte
Tatsache, dass wir nicht im tiefsten Kreuzberg oder Neukölln leben …«
Johanna gönnte sich ein Lächeln, das Celik schlicht übersah.
»Außerdem bin ich gebürtiger Wolfsburger, arbeite bei Volkswagen und
gehöre keiner Gang an, sondern spiele Fußball«, fuhr er unbeirrt und
vergleichsweise lebhaft fort. »Ich pflege mich nicht herumzuschlagen, weder mit
Türken noch mit Deutschen oder Italienern oder wem auch immer. Ich vermeide
Gewalt, sie ist mir zuwider, um genau zu sein. Im Übrigen …«
»Ja?«
»Diese Typen hatten einen unvorstellbaren Hass auf mich, und ich
pflege keinen Umgang mit solchen Menschen.«
»Was haben sie gesagt?«
»Bitte?«
»Als die Männer Sie schlugen – haben sie dabei irgendetwas gesagt?
Sie bedroht, beschimpft oder dergleichen?«
»Nein.« Celik kniff die Lippen zusammen. Die Frage irritierte ihn.
»Woraus schließen Sie dann diesen abgrundtiefen Hass?«
Celik überlegte eine Weile. »Es war nicht nötig, etwas zu sagen.
Ihre Schläge fühlten sich an, als wollten sie mich zerstören.«
Johanna spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten. Sie hielt
seinem dunklen Blick stand. »Werden Sie bedroht, Herr Celik?«
»Nein. Nicht von außen jedenfalls. Das ist auch gar nicht
Weitere Kostenlose Bücher