Berlin Wolfsburg (German Edition)
Sachen
höchstpersönlich aus dem Krankenhaus abgeholt, nachdem er dort ein erstes
Gespräch mit Celik geführt hatte, und dafür gesorgt, dass sie ins
kriminaltechnische Institut nach Hannover weitergeleitet wurden.«
Johanna zog beide Brauen hoch. »Und?«
»Bei der Rücksendung der Sachen fehlten aber sowohl Pullover als
auch Jacke, wie sich aufgrund einer Rückfrage von Celik später herausstellte –
eine Telefonnotiz in der Akte gibt Aufschluss über seinen Anruf. Die
Rücksprache mit dem Institut ergab, dass beide Kleidungsstücke dort nie
angekommen sind. So wurde jedenfalls behauptet. Ansdorf hat sich daraufhin
beschwert – auch darüber gibt es einen Aktenvermerk –, doch das Institut
verwahrte sich gegen irgendwelche Vorwürfe aufgrund mangelnder Sorgfalt, Ansdorf
seinerseits wies jede Verantwortung von sich, und so ging das einige Male hin
und her, um schließlich im Sande zu verlaufen. Der Aspekt ist übrigens im
abschließenden Bericht des Kommissars völlig unter den Tisch gefallen.«
»Er hat es nicht mal erwähnt?«, fragte Johanna nach.
»Nein«, bestätigte Mareni. »Und das verwundert einigermaßen. Erst
bemüht er sich eigenhändig, die Kleidung weiterzugeben – er weiß natürlich, wie
wichtig die Spuren sind, um Rückschlüsse auf Täter und Tatort zu erhalten –,
was ein durchaus angemessenes Verhalten war. Dann verschlampt jemand die
Klamotten, er hat Zoff mit dem Institut, um schlussendlich nicht mal darauf zu
verweisen, dass unter Umständen wichtige Beweisspuren verloren gegangen sind,
was den Staatsanwalt sicher interessiert hätte.«
Die Staatsanwältin, dachte Johanna und lehnte sich zurück. »Wer
außer Ansdorf hatte denn die Möglichkeit, an die Sachen heranzukommen?«
»Er hat sie persönlich eingetütet, in eine Kiste gepackt und einem
Boten übergeben, der damit ins Institut düste.« Mareni hob eine Hand. »Bevor
Sie nachfragen – der Bote kann nicht abschätzen, was oder wie viel Zeug in der
Kiste war. Das habe ich bereits überprüft. Außerdem ist der Mann absolut
vertrauenswürdig.«
»Somit gibt es nur zwei Möglichkeiten, nicht wahr?«
Mareni schwieg.
»Das Institut hat geschlampt und Ansdorf war so nett, den Vorgang
unter den Tisch fallen zu lassen, um dort niemandem auf die Füße zu treten. So
eine Gefälligkeit kann sehr nützlich sein.«
Der Kommissar schüttelte den Kopf. »Ich habe vorhin mit dem Mann
gesprochen, der die Analysen gemacht hat. Er schwört, dass die Sendung keinen
Pullover und keine Jacke enthielt und außerdem keine Einzelauflistung der
Kleidungsstücke wie normalerweise üblich. Er hatte Schuhe, Hose, Strümpfe und
Unterwäsche zur Verfügung, und die Ausbeute war mehr als dürftig – er betonte
sogar, dass sie erstaunlich dürftig war.«
»Was darf ich mir darunter vorstellen?«
»Der Labortechniker meinte wörtlich, dass seine eigenen Schuhe
selten so sauber seien …«
Johanna schnalzte mit der Zunge. »Dann müssen wir wohl, ob es uns
gefällt oder nicht, in Betracht ziehen, dass Ansdorf richtig Mist gebaut hat.
Wie und warum auch immer.«
»Was verstehen Sie unter ›richtig Mist‹?«, fragte Mareni leise.
Sie sah an ihm vorbei zum Fenster hinaus und ignorierte die Frage.
»Haben Sie Kontakt zu Karim Celik aufgenommen?«
»Ja. Er ist bereit zu einem Gespräch. Bei ihm zu Hause.«
»Lassen Sie uns hinfahren.«
Karim Celik war groß und breitschultrig wie ein Rugbyspieler.
Dass der Mann sich unter normalen Umständen zu wehren wissen würde, stand außer
Frage.
Johanna hatte während der Fahrt das Vernehmungsprotokoll gelesen.
Die Grausamkeiten, die dem jungen Mann zugefügt worden waren, erschütterten sie
zutiefst. Sie würde sich niemals daran gewöhnen, dass der Mensch die grausamste
Kreatur auf Erden war und dies auf eindrucksvolle Weise ein ums andere Mal
unter Beweis stellte.
Celik bot ihnen Tee und Wasser an, und sie nahmen im Wohnzimmer
Platz, einem behaglich und farbenfroh eingerichteten Raum. Ein kleiner
Wandteppich und eine sehr schöne islamische Kalligrafie fesselten Johannas
Aufmerksamkeit für einen Moment, dann wandte sie sich Karim Celik zu und
erörterte ihm in knappen Worten den Anlass für ihre Recherchen.
»In diesem Zusammenhang nehmen wir einzelne Fälle noch einmal
genauer unter die Lupe«, erklärte sie schließlich.
»Aha.« Er runzelte die Stirn. »Wollen Sie damit andeuten, dass der
tote Kommissar und die Angriffe auf mich und das Lokal meiner Eltern irgendwie
miteinander zu tun haben
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