Berlin Wolfsburg (German Edition)
raubte,
verließ ihn auch nicht, als er mit hundertvierzig Sachen tief über die Maschine
gebeugt über die A 2 flog.
Sie waren in einem beliebten und gut besuchten Studentencafé in der
Nähe der Uni verabredet. Je wichtiger die Besprechung war, desto belangloser
musste der Ort sein, war eine von Volkers Lieblingsweisheiten. Mitten in einem
voll besetzten Lokal über Mord und Totschlag zu sprechen war für ihn wesentlich
unauffälliger und klüger, als sich privat zu treffen – da konnte immer mal
jemand ein Auge drauf haben, etwas mitbekommen und sich im falschen Augenblick
erinnern. Darüber hinaus hielt er es für einen sehr guten Schachzug, dass von
ihrer Vater-Sohn-Verbindung niemand etwas wusste, auch innerhalb der Riege
nicht.
Stefan hatte seinen Vater erst auf den dritten Blick erkannt – der
leger gekleidete graubärtige Typ, der sich an einem kleinen, abgelegenen Tisch
im rückwärtigen Bereich des Lokals hinter einer Zeitung vergraben hatte, wies
wenig Ähnlichkeit mit dem Mann auf, den er von ihrem letzten Treffen vor gut
sechs Monaten in Erinnerung hatte. Als er an den Tisch trat, blickte Volker
hoch.
»Du bist spät dran.«
»Freitagabendverkehr. Außerdem wollte ich nicht auffallen.«
Volker faltete die Zeitung zusammen und legte sie beiseite.
»Ich hab dich kaum erkannt«, sagte Stefan.
»Gut so.« Volker lächelte. »Komm, setz dich. Hast du Hunger?«
Stefan bejahte und bestellte bei der vorübereilenden Kellnerin eine
Pizza und ein Bier. Einige Minuten lang tauschten sie Allerweltskram aus.
Stefan war erschöpft. Die Woche war anstrengend gewesen, die lange Fahrt
ebenfalls.
»Ist man dir gefolgt, als du in Berlin losgefahren bist?«, fragte
Volker, als das Essen serviert war und Stefan einige Bissen in sich
hineingeschlungen hatte.
»Nein.«
»Bist du sicher?«
Stefan blickte auf, die Gabel blieb auf dem Weg zu seinem Mund in
der Luft hängen. »Ich bin kein Anfänger – nein, mir ist niemand gefolgt.«
Volker runzelte die Stirn und vergewisserte sich mit einem schnellen
Blick in die Runde, dass keiner der Gäste ihnen Beachtung schenkte oder zu nah
an ihren Tisch gerückt war. »Irgendetwas ist schiefgelaufen in letzter Zeit,
und zwar beträchtlich schief, sonst hätten nicht fünf Polizisten dran glauben
müssen. Ob das auf Anfängerfehler zurückzuführen ist oder nicht, werden wir
hoffentlich bald herauskriegen«, erwiderte er mit deutlich gedämpfter Stimme.
»Na hör mal …«
Volkers Kopf schnellte nach vorn. »Meine Güte – deine Kontaktleute
sind bis auf eine alle tot!«, presste er hervor. »Bei mir und meinen Leuten ist
alles in Ordnung. Seit Wochen tun wir nichts anderes, als die Füße
stillzuhalten sowie Augen und Ohren aufzusperren, um zu erfahren, was da läuft,
von welcher Seite uns Gefahr droht – ohne Ergebnis. Du hast keinerlei Grund,
dich über meine Nachfrage zu beschweren, oder?«
Stefan war zusammengezuckt. Volker wurde selten scharf oder
unangenehm. Dass er diesmal den ruppigen Chef heraushängen ließ, war durchaus
nachvollziehbar.
»Also, lass uns deine Leute der Reihe nach durchgehen, auch wenn wir
uns wiederholen. Irgendwo muss eine undichte Stelle gewesen sein, ein
Vorkommnis, das jemand genutzt hat, und ich wüsste zu gern, wer dieser Jemand
ist, der uns so zu schaffen macht, und welchen Vorteil er zu nutzen wusste«,
fuhr Volker in versöhnlicherem Ton fort, in dem eindeutig Sorge mitschwang.
»Hab ich mich klar ausgedrückt?«
»Ja, hast du.«
»Gut, also: Die Staatsanwältin lebt noch – das kann alles Mögliche
bedeuten.«
»Ich hab mit ihr gesprochen: Sie weiß nur, dass jede Menge alter
Fälle wieder ausgebuddelt werden, aber nicht, aus welcher Ecke der Wind weht,
wen die Polizei im Visier hat und ob es überhaupt schon einen Verdacht gibt.
Ich glaub ihr, sie hat zu viel Schiss, dass ihr Krüppelkind –«
Volker winkte ab. »Lass die Sprüche. Dieses Kind hat uns eine Menge
wichtiger Informationen und Unterstützung beschert. Davon abgesehen können wir
nicht ausschließen, dass ihr jemand auf die Schliche gekommen ist.«
»Sie ist verdammt schlau«, entgegnete Stefan. »Schlauer als alle
anderen.«
»Es gibt immer einen, der noch besser ist … Aber gut, an der Stelle
kommen wir im Moment nicht weiter. Rauth war also der Erste – fällt dir
irgendwas zu ihm ein?«
»Er brauchte immer Geld, und Lange hat mich wenige Tage nach seinem
Tod wissen lassen, dass er sich erschossen hat, weil er nicht mehr
weiterwusste. Sein
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