Berlin Wolfsburg (German Edition)
und mehr als nur die Ahnung
zuließ, dass die abgebildete Person eine Frau war. Unter der Kapuze waren
einzelne Haarsträhnen zu erkennen und eine geschwungene Augenbraue. Der Mund
wirkte weiblich, und der Blick hatte plötzlich etwas Gehetztes.
»Ich lass das mal sofort durch die Datenbank laufen«, sagte Mareni
und machte Barlon ein Zeichen, ihm eine Kopie auf seinen PC zu schicken.
Johanna blickte hoch. »Kopien bitte auch ans BKA und nach Braunschweig zu Staatsanwältin Kuhl. Die freut sich, wenn sie das
morgen früh vorliegen hat.«
»Logisch.«
Johanna wandte sich wieder dem Monitor zu. »Wenn sie in keiner
Datenbank auftaucht und uns nicht noch mal über den Weg läuft, was ich stark
bezweifle, haben wir nicht den Hauch einer Chance.«
»Vielleicht doch«, meinte Barlon, betätigte einige Tasten und
vergrößerte einen Ausschnitt an der Kapuze. »Sehen Sie das kleine Logo dort am
Rand?«
Johanna beugte sich vor. »Ehrlich gesagt hätte ich nicht mal
erkannt, dass es sich um ein Logo handelt.«
»Ich denke schon. Um das deutlich herauszufiltern, brauche ich aber
etwas Zeit – in meinem eigenen Büro und mit meiner speziellen Ausrüstung.«
»Keine schlechte Idee«, gab Johanna zu. »Falls da nicht gerade
C&A draufsteht oder ein putziges Krokodil zu erkennen ist, könnten wir
einen wichtigen Hinweis erhalten.«
Barlon grinste. »Das ist es, was ich meine.« Er blickte kurz auf
seine Uhr. »Sie hören morgen von mir.«
Als Johanna ins Bett fiel, war es kurz nach zwei Uhr morgens. In
der Ferne hörte sie Sirenen, und immer noch rauschte der Regen an die Scheiben.
Was für ein tröstliches Geräusch. Beschützt und behütet wie bei Oma Käthe. Sie
schlief innerhalb weniger Minuten ein.
11
»Es hat ihn in der Nähe von Flechtorf erwischt«,
wiederholte Mareni, während Johanna in Richtung ihres Weckers blinzelte. Kurz
nach acht, aber sie hatte das Gefühl, keine halbe Stunde geschlafen zu haben.
»Also könnte man sagen, dass uns dieses Scheißwetter richtig Glück gebracht
hat.«
Johanna richtete sich langsam auf. »Noch mal, Mareni – wen haben Sie
erwischt?«
Einen Moment blieb es still am anderen Ende der Leitung.
»Mein Gott, Kollege, ich bin schon fünfzig und brauche ein paar
Minuten länger als sechs Stunden Schlaf, um aus dem Stand auf
Betriebstemperatur zu kommen!«, fuhr sie ihn an.
»Entschuldigung – so war das nicht gemeint.«
Natürlich war es so gemeint.
»Stefan Muth. Wir haben Stefan Muth«, fuhr Mareni fort. »Er ist in
der Nacht bei diesem Sauwetter mit seinem Motorrad auf der A 39 bei
Flechtorf ins Schleudern geraten. Glücklicherweise ist ihm nicht viel passiert
– ein paar Prellungen und Abschürfungen –, aber ein Autofahrer hat den Unfall
gemeldet, und ein Streifenwagen brachte Muth ins Krankenhaus, wo er behandelt
wurde. Da er auf der Fahndungsliste stand, haben ihn die Kollegen anschließend
in die PI chauffiert. Das fand der junge Mann gar
nicht toll.«
Johannas Kreislauf geriet merklich in Schwung. »Ist er voll
vernehmungsfähig?«
»Und ob.«
»Hat er schon telefoniert?«
»Das konnten wir bislang verhindern.«
»Wie haben Sie das vertreten?«
Mareni räusperte sich. »Ich hab ihn aufgefordert, mir die
Telefonnummer zu nennen – wir würden wen auch immer über seinen Aufenthaltsort
informieren. Davon hielt er nicht so viel.«
»Wissen die anderen Dienststellen schon Bescheid?«
»Nö. Ich dachte, wir könnten zunächst etwas Zeit gewinnen und zuerst
mit ihm reden. Ist das in Ihrem Sinne?«
Johanna grinste. »Und ob. Ich mach mich sofort auf den Weg und geb
die Info weiter.«
Ihre Morgenwäsche fiel dürftig aus, das Frühstück auch. Während sie
einen Kaffee schlürfte und ein halbes Brötchen vertilgte, informierte sie Kuhl
über den Stand der Dinge. Auf dem Weg in die PI telefonierte sie mit Samthof.
Stefan Muth war ein bildschöner Mann – selbst in diesem Zustand,
mit Pflaster und Schürfwunden, deutlich mitgenommen und übernächtigt, hätte er
mühelos bei einem Schauspieler-Casting oder in irgendeiner dieser
Talent-Wettbewerb-Shows mitmachen können. Der Bartschatten verlieh ihm einen
zusätzlichen verwegenen Charme.
»Herr Muth, schön, dass der Sturz so glimpflich ausgegangen ist«,
sagte Johanna fröhlich, nachdem sie gemeinsam mit Mareni den Vernehmungsraum
betreten hatte.
»Deswegen bin ich kaum hier, oder?«
Johanna machte es sich bequem, Mareni zog es vor, das Aufnahmegerät
einzuschalten und in der Akte zu blättern, während er
Weitere Kostenlose Bücher