Berlin Wolfsburg (German Edition)
Ordnung. Hat sich zuverlässig bei mir gemeldet und bei
der Vergewaltigung die Protokolle der Zeugen manipuliert.«
Volker bestellte einen Espresso und schwieg eine ganze Weile. »Womit
wir wieder bei der Ausgangsfrage angelangt wären. Wo ist die undichte Stelle?«,
hob er erneut an, als die Kellnerin serviert hatte. Er blickte hoch und fasste
seinen Sohn scharf ins Auge. »Du hast keinen blassen Schimmer?«
Stefan schluckte. »Nein. Keine Ahnung.«
»Ich bin dafür, dass du das Wochenende in der Braunschweiger Gegend
verbringst – nach Möglichkeit, ohne dass die Polizei etwas davon mitbekommt.
Ich schätze, dass sie der Verbindung zu deinen Läden längst auf die Spur
gekommen ist, aber das macht nichts. Was ist schon dabei, wenn Polizisten sich
Videos ausleihen?«
Stefan nickte langsam.
»Behalt die Maurer ein bisschen im Auge. Vielleicht ist sie der
Schlüssel zu allem, und zwar ohne dass sie selbst es weiß. Und noch was: Ich
bin dafür, dass du gleich losfährst.«
»Gut, mach ich. Ich suche mir irgendwo außerhalb ein Zimmer. Wie
nehmen wir Kontakt auf, falls sich etwas Wichtiges ergeben sollte?«
»Wie immer: über Festnetz und unter falschem Namen. Falls ich
mitkriege, dass ich beobachtet werde – von wem auch immer –, gehe ich nicht ans
Telefon. Dann wartest du, bis ich mich melde.«
»Okay.«
***
Das Bild war verwackelt und unscharf – ein bleiches, grell
beleuchtetes Gesicht, zum Teil verdeckt durch eine Kapuze. Johanna seufzte
leise. Sie bezweifelte, dass es möglich sein würde, die Identität dieser Person
festzustellen. Das Gesicht konnte ebenso einem sechzehnjährigen männlichen
Jugendlichen wie einer jungen Frau gehören. Wenigstens war Annegret Kuhl
vergleichsweise sicher, dass es sich um dieselbe Person handelte, die Maurer
schon einmal verfolgt hatte.
Nach der ergebnislos verlaufenden Suche der Polizei nach der dunklen
Gestalt vor Maurers Haus hatte Kuhl entschieden, das Gespräch mit ihrer
Kollegin, das sie selbst führen wollte, auf den nächsten Tag zu verschieben,
aber einen Polizeiwagen vor ihrem Haus zu postieren. Johanna hatte sich auf den
Weg nach Wolfsburg gemacht und Luca Mareni aus dem Bett geklingelt.
Inzwischen ging es auf Mitternacht zu. Ein heftiges Unwetter hatte
sich über Teilen von Niedersachsen ausgetobt, und sie war nach einer
vergleichsweise langen Fahrt durch sturzbachartigen Regen froh, in Marenis Büro
zu sitzen und brühend heißen Kaffee zu schlürfen, während sie gemeinsam auf den
Monitor starrten. Der Kollege wirkte müde, sein Hemd war zerknittert, und das
Haar saß nicht so perfekt wie sonst, aber er hielt sich wacker und hatte auf
die nächtliche Ruhestörung bemerkenswert gelassen reagiert.
Die beiden Fotos gaben auch nach einer ersten Bildbearbeitung nicht
allzu viel her. Mareni rieb sich die Augen und griff zum Telefon. »Wenn wir da
noch was rausholen wollen, brauchen wir einen Profi«, meinte er und gähnte
hinter vorgehaltener Hand. »Im Moment könnte das jeder für mich sein – oder
jede.« Er wählte eine Nummer.
»He, noch wach?«, sagte er nach kurzem Lauschen. Er lächelte.
»Prima. Hast du Zeit? … Ja, klar – jetzt, jetzt sofort. Stichwort: Fotoanalyse.
Ich schicke dir einen Wagen, damit du nicht nass wirst.« Mareni legte auf und
blickte Johanna an. »Der Bursche hat mal beim LKA Hannover gearbeitet und sich eine Menge Ärger eingehandelt«, erörterte er. »Das
ist lange her. Inzwischen betreibt er ein eigenes Sicherheitsunternehmen.«
»Lassen Sie mich raten – Daten aus dem Netz zu ziehen gehört zu
seinen Spezialitäten.«
»Nicht nur aus dem Netz. Aber ich sage Ihnen, es lohnt sich.«
Der Mann hieß Leif Barlon und sah aus wie Mike Krüger, als der noch
etwas fülliger gewesen war und Blödellieder von hinreißender Dämlichkeit zum
Besten gegeben hatte. Mit dem landläufigen Bild, das man sich von einem Hacker
und Computerprofi machte, der Cola trinkend und rauchend in seiner ganz
speziellen Bits- und Bytes-Welt lebte, aus der er ungern auftauchte, schon gar
nicht, um sich zu duschen und umzuziehen, hatte er nichts gemein – abgesehen
davon, dass er es offensichtlich vorzog, nachts zu arbeiten und nicht gerade
als sportlich agiler Typ durchging.
Er begrüßte Johanna, als hätten sie letzte Woche beim Schützenfest
auf einer Bank gesessen, und machte sich sofort an die Arbeit. Sie staunte
nicht schlecht, als Barlon ihnen nach einer guten halben Stunde ein Foto
präsentierte, das deutlich schärfer konturiert war
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