Berlin Wolfsburg (German Edition)
auf den Fersen war, wo und wann spielt im
Grunde gar keine Rolle. Dem bin ich nachgegangen, was meine Pflicht ist – erst
recht in Zeiten wie diesen.«
»Du hast zufällig mitbekommen, dass mir jemand folgt?«, entgegnete
Hannelore in scharfem Ton. Sie lachte kurz auf. Es klang nicht fröhlich. »Das
glaubst du doch selbst nicht!«
Annegret lehnte sich zurück. »Wir wissen nicht, wer sie ist und was
sie von dir will. Noch nicht«, entgegnete sie ruhig. »Hast du auch nur den
Ansatz eines blassen Schimmers, warum sie dir hinterherschleicht?«
»Nein!«
»Wirst du bedroht?«
»Nein, verdammt noch mal!«
»Sie war mit einem Roller unterwegs. Ist dir in letzter Zeit mal ein
Motorroller aufgefallen?«
»Du liebe Güte, nein!«
»Die Frau war in der Nähe der Klinik.«
Hannelore erbleichte.
»Wer ist diese Frau?«, wiederholte Annegret.
»Keine Ahnung – das sagte ich bereits.«
»Was will sie von dir?«
»Hör schon auf!«
»Geht es um dein Kind?«
Hannelore schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Schluss
jetzt«, flüsterte sie. »Lass mich in Ruhe. Bitte!«
»Den Gefallen kann ich dir nicht tun, selbst wenn ich wollte«,
entgegnete Annegret ebenso leise. »Wir haben Stefan Muth. Er wird in Wolfsburg
vernommen. Die Kollegen in Berlin haben Filmmaterial sicherstellen können, das
eine Durchsuchung seiner Läden und Privaträume rechtfertigt. Also – wenn du mir
was zu sagen hast, sag es jetzt. Sobald eine Verbindung zu dir nachgewiesen
werden kann, sieht es nicht gut aus für dich. Aber das muss ich dir kaum
erläutern. Wenn du dich allerdings entscheidest zu kooperieren, tue ich alles,
wirklich alles, um dir zu helfen.«
Sekundenlang blieb es still. Hannelore wurde wachsbleich und begann
zu zittern. Sie wandte den Kopf und sah zum Fenster hinaus. »Ja, es geht um
Mirko. Sie haben gedroht, ihn zu töten«, flüsterte sie dann. »Einmal war jemand
im Heim und hat … Sie haben ihm den Sauerstoff abgedreht. Er konnte gerade noch
gerettet werden.«
»Wie hast du von dem Übergriff auf dein Kind erfahren?«
»Sie haben es gefilmt.« Hannelores Stimme war nicht mehr als ein
heiseres Flüstern.
»Was musstest du tun?«
Hannelore drehte Annegret wieder das Gesicht zu. »Hauptsächlich
Informationen herausgeben, Interna zu Ermittlungen, Namen von Beamten, hin und
wieder eine Akte schnell schließen. Und niemals durfte ich dabei auffallen.«
»Hast du Geld bekommen?«
»Nein. Es ging immer um Mirko.« Sie sprach schnell, als hätte sie
Angst, sonst zu verstummen. »Manchmal habe ich monatelang nichts von ihnen
gehört, und ich dachte, der Spuk wäre endlich vorbei. Aber das war er nicht.«
»Wer ist wie an dich herangetreten?«
»Ich erhielt Anrufe – die immer bedrohlicher wurden. Jemand wusste
sehr genau über mich Bescheid. Später hat stets Muth Kontakt zu mir
aufgenommen«, berichtete Hannelore zunehmend flüssiger und ruhiger. »Wenn ich
eine Nachricht für ihn hatte, habe ich einen Videofilm mit einer ganz
bestimmten Registrierungsnummer in seinem Laden abgegeben. Daraufhin rief er
mich über Festnetz an und nannte mir eine Mailadresse, über die wir uns
kurzfristig austauschten. Nach einem solchen Kontakt löschte er den Account wieder.
Er war immer sehr vorsichtig.«
»Und wie war das Prozedere, wenn er etwas von dir wollte?«
»Ganz schlicht: Er rief mich an und erteilte mir einen Auftrag oder
wies mich an, eine Mail abzurufen.«
»Weißt du etwas von Hetzfilmen?«
»Nein, das war hier nie ein Thema.«
»Kanntest du die Schläger?«
Hannelore schüttelte den Kopf.
»Warum bist du nie auf die Idee gekommen …«
Maurer lächelte traurig. »Es war zu spät – mit dem ersten Dienst,
den ich Ihnen erwies, war es zu spät, und ich hätte mir nie verziehen, Mirko zu
opfern oder auch nur ein weiteres Mal in Gefahr zu bringen. Nein, niemals.«
Annegret Kuhl hatte für einen Moment das Gefühl, Hannelores Schmerz
zu spüren, ihre tiefe Verzweiflung. Ihre Scham. »Und du hast wirklich keine
Ahnung, was die Frau von dir will?«
»Nein. Ich habe die noch nie gesehen. Ich hatte während der ganzen
Zeit auch noch nie mit einer Frau zu tun, sieht man einmal von den jungen
Mädels ab, die in der Videothek arbeiten und, so nehme ich jedenfalls stark an,
mit den anderen Geschichten nichts zu tun haben.«
Annegret zögerte einen Moment, dann öffnete sie die Akte und entnahm
ihr die Fotos von Muth, Bihl und Dorn. »Bist du Stefan Muth je persönlich
begegnet?«, fragte sie, während sie
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