Berlin Wolfsburg (German Edition)
meinte Mareni. »Der Anschlag war dann natürlich ein
herausragendes Argument für seine rassistische Überzeugung, die bei seinem Sohn
nach dem Tod der Mutter auf fruchtbaren Boden gefallen sein dürfte. Unter
Umständen hat Dorn sogar Kontakt in die USA – mit
all dem werden sich die Kollegen vom Staatsschutz sicherlich noch eingehend
beschäftigen.«
»Scheint jedenfalls alles von langer Hand und seit Jahren geplant«,
murmelte Johanna. »Womit wir zur Abwechslung mal wieder bei der Ausgangsfrage
angelangt wären, die mich vor einigen Tagen hierhergeführt hat. Warum mussten
die Polizisten sterben, und wer ist dafür verantwortlich?«
Mareni zuckte die Achseln. Dann wies er auf den Monitor. »Wollen wir
erst mal das Filmmaterial sichten?«
Johanna hatte gut zehn Minuten gebraucht, um ihr Entsetzen zu
überwinden und den heißen Zorn zu dämpfen, der immer wieder in ihr hochstieg.
Dann ließ sie Stefan Muth wieder im Verhandlungsraum Platz nehmen.
»Ich hoffe, Sie haben jetzt bessere Fragen«, meinte er mit
selbstsicherem Lächeln. »Ansonsten – danke schön für das Frühstück. War gar
nicht schlecht, wenn man bedenkt, wo ich hier bin. Ist Wolfsburg nicht die
Stadt mit dem Bahnhof, an dem der ICE regelmäßig
vergisst zu halten?«
»Keine Ursache. Wie schön, dass es Ihnen geschmeckt hat. Sie werden
in Zukunft noch häufiger auf Staatskosten frühstücken, und das Letzte, worüber
Sie sich gerade Gedanken machen müssen, sind Zugverbindungen«, erwiderte Johanna
und ignorierte das Kribbeln in ihren Fingerspitzen, auch wenn es ihr
schwerfiel.
Mareni nahm neben ihr Platz und klappte sein Notebook auf, ohne eine
Miene zu verziehen.
»Ach, reden Sie doch keinen Unsinn«, erwiderte Muth und winkte ab.
Offensichtlich hatte er die Unterbrechung genutzt, um sich zu entspannen und
den Entschluss zu fassen, das Ganze fortan mit Humor und Abgeklärtheit über
sich ergehen zu lassen.
»Mein Kollege und ich haben uns gerade zwei Filme angesehen, die uns
ein bisschen den Appetit verdorben haben«, erklärte Johanna mit sanftem Lächeln
und registrierte zufrieden, dass Muth merklich zusammenzuckte.
Sie gab Mareni ein Zeichen, der daraufhin den Film startete. Während
die Bilder über den Monitor huschten und die wohlklingende Stimme des
Kommentators den Raum füllte, ließ sie Muth nicht aus den Augen. Zweifellos war
er beeindruckt und verstört und sichtlich bemüht, die Fassung zu bewahren, um
schließlich mit versteinerter Miene das Gesicht abzuwenden.
»Kann ich verstehen, dass Sie sich das nicht genauer angucken
wollen«, sagte Johanna, als die Vorführung beendet war. »Außerdem kennen Sie
das Material ja zur Genüge.«
»Ach ja? Wie kommen Sie denn darauf?« Muth verschränkte die Arme vor
der Brust.
»Meine Güte, nun lassen Sie doch endlich das kindische Leugnen.
Meine Kollegen in Berlin haben eine DVD sichergestellt, die eindeutig aus Ihrem Laden stammt. Neben einem
James-Bond-Film befand sich darauf dieses anschauliche ›Lehrmaterial‹.«
Muth winkte gelassen ab. »Und? Können Sie das auch beweisen?«
»Können wir. Unsere Techniker sind dabei. Interessiert es Sie, in
wessen Besitz die DVD war?«
Darauf antwortete Muth nicht.
»Bernd Lange hatte sie. Da waren Sie wohl nicht gründlich oder
schnell genug. Und Ähnliches ist auch bei Rauth abgelaufen, wo Sie sich ja
höchstpersönlich bemüht haben, Ihre widerlichen Filmchen einzusammeln.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
»Wir haben Spezialisten, die jede einzelne Sequenz der Filme, jeden
Satz des Kommentators untersuchen und herausfinden werden, aus welcher Feder
und aus welchem Mund dieser kranke Schwachsinn stammt. Wir werden feststellen,
wo gefilmt wurde, wer die Beteiligten waren und so weiter«, fuhr Johanna in
schneidendem Ton fort. »Wir werden ähnliches Material in Ihren Läden finden
oder in Ihrer Wohnung, wo auch immer. Also tun Sie sich und uns einen Gefallen
und hören Sie auf zu lügen.«
»Ich muss mich wiederholen, Frau Kommissarin. Wovon reden Sie um
Gottes willen?«
»Sind Sie geschult worden, so zu reagieren?«, fragte Johanna. »Hat
er Ihnen das eingetrichtert?«
»Von wem sprechen Sie?«
»Von Ihrem Hauptagitator Volker Dorn.«
»Der Mann hat mir Geld geliehen, und das war es auch schon. Mehr
kann ich Ihnen nicht zu ihm sagen.«
»Ich denke schon«, hielt Johanna dagegen. »Wir werden nach Hinweisen
suchen, wann Sie sich wo mit ihm getroffen haben, und wir werden sie finden.
Man hinterlässt immer Spuren,
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