Berndorf 07 - Trotzkis Narr
hier ein Handy gefunden und würde gerne abklären, wem es gehört. Zuletzt wurde damit ein Gespräch vermutlich mit Ihnen geführt.«
Durch den Hörer kommt Gelächter. »Nicht mit mir. Aber das Handy gehört einem der Arschlöcher von Patzert. Und Sie sind vermutlich der Besuch von heute Mittag und haben das Arschloch einkassiert. Glückwunsch! Sagen Sie dem Finklin einen schönen Gruß und dass ich einen ganzen Bierkasten von Mollies sichergestellt hab …«
Das Gespräch bricht ab, Berndorf lässt das Handy sinken und betrachtet Finklin nachdenklich, so gut man eben im Dunklen jemanden betrachten kann.
W olken sind aufgezogen, der Mond ist nicht mehr zu sehen, nur der Widerschein des Berliner Lichtermeers liegt als leuchtende Glocke über der Nacht. Die Schranke zur Baustelle ist mit einem Vorhängeschloss gesichert, und das Schloss ist auch richtig abgeschlossen. Harlass geht zum Wagen zurück und öffnet die Beifahrertür. »Du hast doch Dietriche? Im Werkzeugkasten?«
Patzert, die Hände im Schoß zusammengebunden, nickt. Reden kann er nicht, denn in seinem Mund steckt ein Knebel aus seinen eigenen Fußsocken, festgebunden mit dem Schnürsenkel aus dem einen von Patzerts Springerstiefeln. Harlass überprüft den Knoten der Handfessel und ist zufrieden, die Hände sind mit dem zweiten Schnürsenkel zusammengebunden, solche Schnürsenkel sind lang und halten was aus, wenn sie neu sind. Und Patzert ist so ein feiner Pinkel, der hat immer neue Sachen. Harlass geht zum Kofferraum und findet im Werkzeugkasten tatsächlich den Bund Dietriche. Er braucht eine Weile, bis er den richtigen Haken erwischt, dann ist aber das Vorhängeschloss auch schon offen, und er kann die Schranke aufrichten.
Dahinter ist eine planierte Fläche, und er fährt den Wagen bis zu dem Erdwall, der zur Straße hin aufgeworfen ist. Im Sommer hat er hier drei Wochen gearbeitet, dann kam der Baustopp, und seither hat sich hier nichts mehr gerührt. Auch die Baumaschinen sind abgezogen worden, und zurückgeblieben ist nur der Bauwagen des Poliers. Er stoppt den BMW neben dem Fußpfad, der zum Erdwall hinaufführt, und schaltet die Innenbeleuchtung ein. Patzert wirft ihm einen Blick zu, den er nicht deuten kann. Auch atmet er schnell. Wahrscheinlich würgt ihn der Knebel. Harlass greift nach hinten und holt aus dem Bierkasten einen der Mollies und betrachtet die Flasche im Licht der Innenbeleuchtung. Sie sieht aus wie aus dem Lehrbuch – unterm Schraubverschluss der Faden durchgeführt, mit dem man die Lunte herauszieht, dazu zwei Sturmstreichhölzer, von einem Gummiband festgehalten. Er öffnet die Flasche und schnüffelt daran, dann hält er die Flasche – lächelnd – Patzert vors Gesicht. Aber der schließt die Augen.
»Wir werden nachher testen, ob das die richtige Mischung ist«, sagt Harlass und schraubt den Mollie wieder zu. »Aber wie atmest du eigentlich? Das ist schon so ein Hecheln, weißt du das?«
Wieder dieser Blick!
»Übrigens ist hier keine Gefahr«, fährt Harlass fort. »Auf der einen Seite ist der Fluss, und hinter dem Erdwall kommt erst einmal eine Straße, und auf der anderen Seite sind bloß so Läden und Werkstätten, da ist jetzt kein Schwanz mehr, und niemand hört dich schreien. Bloß ich hau dir dann was zwischen die Zähne!« Er beugt sich zu Patzert und löst die Schlaufe, mit der das Trägerband in Patzerts Nacken festgezurrt ist, und zieht ihm die Socken aus dem Mund. Patzert hustet und spuckt irgendwelche Krümel oder Fäden aus, alles in einem, so dass es eine Weile dauert, bis er zur Ruhe kommt und schwer atmend im Sicherheitsgurt hängt.
»Na?«, fragt Harlass. »Geht es wieder? Du hättest dir vielleicht die Füße öfter waschen sollen und die Socken häufiger wechseln, dann wäre dir das alles nicht so ekelhaft geworden!«
»Hör zu«, sagt Patzert, »morgen, Lutz, morgen werden wir noch mal Geld abheben können. Ich muss nur zur Bank gehen, weißt du …«
»Morgen!«, sagt Harlass. »Das ist auch so ein Wort.«
»Ich hab noch …«
»Du hast jetzt noch fast Zehntausend auf dem Konto, ich weiß«, sagt Harlass. Irgendwo auf halber Strecke vor Berlin waren sie an einer Kreissparkasse vorbeigekommen, da hatten sie die ersten Fünfhundert abheben können und jeweils ebenso viel an drei anderen Banken in Spandau und Charlottenburg. »Ich wusste gar nicht, dass du so viel Geld hast. Wie machst du das nur?«
»Morgen …«, sagt Patzert.
»Die Zweitausend sind okay«, unterbricht ihn Harlass.
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