Berndorf 07 - Trotzkis Narr
dann auf acht, ein anderer kommt von neun auf sieben, bleibt dort endlos stehen, warum hat er die 464 Viking nicht dabei, warum nur! Weil man nicht mit einer Knarre im Hosenbund in einem Hotel herumläuft, darum, der Kerl am Tresen müsste längst auf die Anmeldung von Patzert, Detlef gestoßen sein, längst müsste ihm das Hotelmäuschen erzählt haben, wie der aussieht, der Detlef Patzert, warum stürmt hier kein Einsatzkommando? Vor ihm öffnet sich die Doppeltür des einen Aufzugs, er geht hinein und drückt auf die Anzeige der siebten Etage. Die Doppeltür öffnet sich. Jetzt wirft er doch noch einen letzten Blick auf die Rezeption, der Mensch im dunklen Mantel steht noch immer an der Rezeption, redet jetzt aber mit einem anderen Mann, und da ist die Doppeltür auch schon zu.
Der Aufzug kriecht nach oben. Harlass schließt die Augen. Was tust du, wenn oben die Bullen warten? Nichts, denn dann gibt es nichts mehr zu tun. Ein anderes Stockwerk? Zu spät, das Ding fährt jetzt zur siebten Etage, das änderst du nicht mehr. Der Aufzug wird noch langsamer, dann setzt er auf, gleich wird er die Hände hochnehmen müssen, das ist dann eben so. Die Doppeltür geht auf, vor ihm der geäderte Marmorboden des Flurs, die Wand mit einer Tür zum Service.
Und niemand sonst.
E r geht zu seinem Zimmer, zieht die Hotelkarte durch den Türöffner. Bevor er die Tür aufstößt, überlegt er einen Augenblick, ob sie wohl im Zimmer auf ihn warten? Der eine hinter der Tür vielleicht und der andere im Sessel, die MP schussbereit auf den Knien? Quatsch, da bringen sie sich ja nur selber um. Außerdem braucht er die 464 Viking, und er braucht sie jetzt, sonst ist alles sinnlos. Er öffnet die Tür und stößt sie so weit auf, dass sie den treffen müsste, der dahinter steht … Niemand steht dahinter, niemand sitzt im Sessel gegenüber. Er geht zu seinem Zimmersafe, tippt mit noch immer ein wenig zittrigen Fingern die Code-Nummer und holt die Pistole heraus, lädt durch und steckt sich die Waffe in den Hosenbund.
C laudia Wüllenhorst atmet tief durch. Das Mädchen, das sie schließlich mit List und Tücke ans Telefon bekam, hat Wolfsrach die Schnapsflasche abgenommen und wird ihm einen Kaffee kochen und ihn so lange irgendwie in ihrer Wohnküche festhalten, bis sie – Claudia Wüllenhorst, seine Agentin – auf der Szene erscheint und die Dinge in die Hand nehmen kann. Ein braves Mädchen, ja doch, vermutlich eine ehemalige Beischläferin des Wolfsrach, eine ihm längst davongelaufene, wie alle Beischläferinnen des Wolfsrach ihm gar nicht schnell genug davonlaufen können, trotzdem hat sie ihn bei sich unterkriechen lassen … Schade nur, dass das Mädchen selber einen Abendtermin hat, irgendwas in der Uni, sonst hätte man ein Taxi geschickt, und sie hätte ihn hier abliefern können.
Sie steckt das Mobiltelefon in die Tasche zurück und wirft einen Blick auf die kleine Armbanduhr, soviel Zeit hat sie gar nicht mehr, aber sie muss noch in ihr Zimmer, die Autoschlüssel holen. Sie verlässt den Raum, im Fernsehen läuft jetzt Werbung, aber ohne Ton, das ist fast noch unangenehmer, weil man sieht, wie die Bilder allein für sich lügen. Im Foyer herrscht jetzt mehr Betrieb als vorhin, an diesem Abend finden offenbar mehrere Veranstaltungen statt, nicht nur die üblichen Vertreterschulungen, das hat ihr die Hoteldirektion vorher gar nicht gesagt, natürlich hat man kein Recht darauf, dass an diesem einen Abend sonst keine anderen Termine sind, trotzdem … Und natürlich muss auch die Staatspartei heute und hier tagen, dass man damit der Lesung eines jungen, eines ganz außerordentlich vielversprechenden Schriftstellers Konkurrenz macht, das schert die Staatspartei nicht, woher denn auch!
Mit ihr im Lift fahren zwei Männer, einer trägt Hut und einen dunklen Mantel, beide sind merkwürdig angespannt, beide haben in ihrem Blick eine wache kalte Aufmerksamkeit, sie mustern sie, ohne sie anzusehen, ohne einen Augenkontakt zu suchen. Im siebten Stock steigen sie aus, der Mann im Mantel grußlos, der andere verabschiedet sich mit einer angedeuteten Verbeugung, und dann schließt sich die Doppeltüre des Aufzugs auch schon wieder. Endlich ist sie im elften, sie muss sich jetzt wirklich beeilen, natürlich öffnet sich das Hotelzimmer nicht, natürlich nicht, denn sie hat die Hotelkarte mit der falschen Seite durch das Lesegerät geschoben …
Ein Arm legt sich um ihren Hals, an ihre Wange presst sich ein hartes kaltes Stück Eisen,
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