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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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unter Umständen muss ich mir ein paar Projekte anschauen, die von den Russen realisiert worden sind. Was hast du da?«
    Karen hat sich auf die Couch gesetzt und blättert in dem großformatigen Band, es ist eine Dokumentation oder Untersuchung mit dem Titel »Entwicklungsachsen der Agglomeration Berlin/Brandenburg«, als Verfasser wird eine Architektin Cornelia Wotruba angegeben, Karen bleibt an einer Textpassage hängen, die ihr merkwürdig vorkommt, jedenfalls merkwürdig in einer Arbeit über städtebauliche Entwicklungsachsen.
    »Ach das!«, ruft Stefan, »das ist leider nur Schrott und gehört in den Reißwolf! Oder einfach in die Papiertonne.«
    »Da bin ich mir gar nicht so sicher«, sagt Karen, »hör dir das doch mal an … Von Lindow kommend, fahren wir jetzt Gransee, der östlichsten Stadt der Grafschaft, zu. Von ihren früheren Tagen erzählt uns ein Baudenkmal, das sich bereits tau send Schritte vor der Stadt erhebt: die Warte bei Gransee … Sie steht auf dem höchsten Punkte der Umgebung, dem Warte-Berg. Junge Fichten und dichtes Kusselwerk, drin der Sandhase sein Lager hat, bedecken ihn an seinen Abhängen, und nur der abgeplattete Gipfel ist kahl …« Karen blickt auf. »Das hat doch was. Drin der Sandhase sein Lager hat . Für einen solchen Halbsatz gebe ich zwei Zentner von eurem Stadtplaner- und Soziologenwelsch!«
    »Hör zu«, sagt Stefan und hebt beschwichtigend oder beschwörend beide Hände, »da ist uns was aus dem Ruder gelaufen, vielleicht sind wir auch einfach reingelegt worden.«
    »Sorry, mein Lieber«, sagt Karen und setzt jenes Lächeln auf, das keine Widerrede kennt. »Wo Sandhase und Häsin ihr Lager haben, das will ich jetzt genau wissen.«
    D as Neun-Millimeter-Vollmantelgeschoss hat nicht nur den Kopf durchschlagen, sondern auch die Seitenscheibe und ihr links oben ein rundes schönes Loch gemacht, mit einem Kranz von gesplittertem Glas drum herum. Kann man nichts machen, denkt Harlass. Er ist ausgestiegen und um den Wagen herumgegangen und öffnet jetzt die Fahrertür. Der Fahrer hängt wie betrunken über dem Lenkrad, der linke Arm steckt noch im Sicherheitsgurt. Als Erstes will Harlass die Pistole sicherstellen, die der Mann im Schulterhalfter hat, aber dazu muss er ihm den Oberkörper anheben und gegen die Lehne vom Fahrersitz drücken, so einfach ist das gar nicht, denn der Fahrer ist wirklich ein schwerer Kerl. Schließlich schafft er es, und der Kopf mit dem Loch, wo einmal ein Auge war, fällt erst auf die Nackenstütze zurück und dann zur Seite. Blut läuft über das Gesicht.
    Und der Mund versucht, etwas zu sagen. Wieso ist der nicht tot?, denkt Harlass. »Ist was?«, fragt er und beugt sich über den Fahrersitz, um besser zu hören. Aber aus dem Mund kommt nur Gebrabbel, einmal glaubt Harlass etwas zu verstehen, das sich anhört wie: »… Bescheid sagen …« Dann nichts mehr, nur ein Faden Blut läuft über das Kinn.
    »Keine Sorge«, sagt Harlass. »Denen sagen deine Kollegen dann schon Bescheid, da kannst du dich drauf verlassen.« Das eine Auge, das der Mann noch hat, schaut ihn an, aber Harlass kann den Ausdruck darin nicht deuten. Er greift dem Mann in den Sakko und holt die Pistole aus dem Schulterhalfter, es ist eine Walther PPK , und er steckt sie sich in den Hosenbund. Der Kerl will wieder nach vorne kippen, er hält ihn auf und drückt ihn in die Lehne zurück und hält ihn mit der rechten Hand, während er mit der Linken nach der Brieftasche sucht und sie auch in der rechten Innentasche des Sakkos findet. Wieder brabbelt der Mann, vielleicht ist es auch nur ein Röcheln, dann verhakt sich die Brieftasche im Futter der Innentasche, und Harlass muss sie hin- und herzerren, bis er sie herausbekommt.
    Inzwischen hat die Dämmerung eingesetzt, das Licht lässt die Dinge ins Grau verschwimmen, in der Brieftasche sind drei Hunderter und ein paar kleinere Scheine, zwei Fotos von Frauen, die man beide nicht unbedingt hätte fotografieren müssen, und ein Dienstausweis der Polizei des Landes Berlin, ausgestellt auf den Polizeihauptkommissar Jonas Regulski. Wundert dich das? Nein, das wundert dich kein bisschen. Warum du das nicht früher geschnallt hast, darüber kannst du dich wundern, der hat doch fünfzig Meter gegen den Wind nach Bulle gestunken!
    Er wirft die Brieftasche auf den Rücksitz des Wagens und legt auch gleich noch die Walther PPK dazu, denn die drückt ihn doch im Hosenbund. Jonas Regulski oder das, was von ihm noch am Leben ist, hängt schon

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