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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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genügen. Es ist ein Gesicht wie aus Holz geschnitten, hell die Flächen von Stirn, Nase und Wangen, die aus der Dunkelheit auftauchen und plötzlich ganz nah bei einem sind.
    »Ach, war das ein Tag!«, sagt Stefan Andermatt und setzt die Teetasse ab. »Ich weiß nicht, was diese Polizei tut und was sie will und was sie sich denkt. Zum Glück weiß ich das nicht, ich würde verrückt werden, bevor ich begreife, wozu das gut sein soll.«
    »Was wollten sie denn von dir wissen?« Karen zwingt sich, das zu fragen.
    »Zum Beispiel, warum ich in dieser Sauna war. Ich sage, ich war dort, um zu schwitzen. Die meisten Leute gehen deshalb in die Sauna, sage ich. Sie sind nicht zufrieden. Warum in diese Sauna? Ich sage, dass noch zwei Plätze frei waren, einer für mich und einer für meinen Geschäftsfreund Ruzkow. Wieder sind sie nicht zufrieden. Woher ich das gewusst habe, dass da zwei Plätze frei sind. Ich sage, dass ich den Herrn Marcks angerufen habe. Woher kenne ich den Herrn Marcks? Ich antworte, dass Herr Marcks mich einmal eingeladen hat, als ich zu spät war und die allgemeine Sauna schon geschlossen hatte.« Er steht auf und geht zu der kleinen Bar und schenkt sich einen Armagnac ein.
    Karen sieht ihm zu, und plötzlich fühlt sie sich – nein, nicht enttäuscht. Es ist, als sähen ihre Augen plötzlich anders. Das schummrige Licht ist albern. Ein großer schlanker Mann, ja doch. Aber was muss er sich am Schnaps festhalten? Und warum endlose Worte, die doch nur Ausreden sind?
    Und schon redet er weiter. Aber sie mag nicht zuhören. Er erzählt von dem einen Polizeibeamten, dann von einem zweiten …
    »Der hat genau die gleichen Fragen gestellt, das ist ein ganz alberner Trick, sie stellen dir immer wieder die gleichen Fragen, und wenn du dich in einen Widerspruch verwickelst, dann bist du dran, aber erst recht bist du dran, wenn du die immer gleiche Antwort gibst, dann hast du nämlich deine Antwort auswendig gelernt, und das tun nur die Bösewichter.« Er führt das Glas zum Mund, schnüffelt aber nur an dem Armagnac. »Im Mittelalter haben sie die Hexen nackt und gefesselt ins Wasser geworfen. Wenn eine nicht unterging, musste sie logischerweise eine Hexe sein und wurde verbrannt. Wenn sie unterging, ist sie eben ertrunken …«
    Wenn wir schon das eine nicht tun, sondern reden müssen, denkt Karen, dann sollte ich ihn wenigstens nach der Agentur Meunier und Konsorten fragen. Und was er davon weiß.
    »Und dann Ruzkow! Was tut der hier und warum? Ich sage, das ist ein russischer Geschäftsmann, der Repräsentant eines großen, eines bedeutenden internationalen Konsortiums. Sie hören es und fragen, warum der Herr Ruzkow nach Moskau zurückgeflogen ist. Ich sage, weil der Repräsentant eines internationalen Konsortiums seinem Aufsichtsrat berichten muss. Sie sind nicht zufrieden. Herr Ruzkow sei Zeuge. Ich sage, Herr Ruzkow ist kein Zeuge, er hat nichts gesehen, er hat nichts gehört, aber wenden Sie sich doch an Ihre russischen Kollegen, Herr Ruzkow wird selbstverständlich zu einer Aussage zur Verfügung stehen, aber in Moskau. Und schon wieder sind sie nicht zufrieden, wen wir wann und wo einvernehmen, wollen Sie gefälligst uns überlassen! Dann fragen Sie mich nicht danach, sage ich, und so geht es weiter im Kreis. Schließlich musste ich mit einer Intervention beim Wirtschaftssenator drohen, sonst hätten die mich am Montag nicht nach Moskau fliegen lassen.«
    »Du fliegst nach Moskau?« Karen ist aufgestanden und schaltet das Deckenlicht ein. Das tut sie, weil sie sich auf irgendeine Weise abreagieren muss. Am Montag ist die Premiere vom »Amphitryon 2013«, Stefan weiß, dass sie Karten besorgt hat.
    »Ja, Stukkart hat mich darum gebeten, es ist wichtig.« Er nimmt einen weiteren, vorsichtigen Schluck. »Ruzkow will mich mit einigen Leuten bekannt machen. Leuten von ganz oben.«
    »Am Montag also«, sagt Karen und sieht sich um. Sie will jetzt keine Szene machen. Um keinen Preis. Sie ist so sauer, dass sie nicht einmal ihre Enttäuschung zeigen will. Aber sie braucht irgendetwas, an dem sie sich festhalten kann. Am besten wäre etwas völlig Banales, damit sie so tun kann, als sei selbst diese Banalität unvergleichlich spannender als die Frage, ob Stefan mit ihr ins Theater geht. Auf dem Couchtisch liegt ein dicker großformatiger Band, Stefan hat ihn mitgebracht und dort abgelegt. »Weißt du schon, wie lange du wegbleibst?«
    »Nein«, sagt Stefan, »der Rückflug ist für Donnerstag gebucht, aber

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