Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
Witwenrente bezieht. Aber das geht ihn nichts an. Was ihn angeht, das ist die Wohnung: vier Zimmer, großzügig bemessen, dritte Etage eines aufwendig sanierten Bürgerhauses, beste Wohnlage in Charlottenburg.
    »Waren Sie denn verlobt, Sie und Herr Marcks?« Das gerötete Gesicht hellt sich ein wenig auf, offenbar hat er das richtige Angebot unterbreitet.
    »Ja doch«, sagt sie, »verlobt! Wir waren Verlobte, Giselher und ich, und heiraten wollten wir auch, im nächsten Frühjahr.« Sie strafft sich, sitzt plötzlich mit durchgedrücktem Rücken da. »Aber wohnen tu ich nicht hier, ich bin hier auch nicht gemeldet, das müssten Sie doch in Ihren Unterlagen haben, ich wohne in Steglitz, aber dass ich hier immer wieder mal übernachtet hab, das können Sie ruhig wissen, auch wenn es die Polizei gar nichts angeht.«
    »Schon gut«, sagt Keith und hebt begütigend die Hand, »haben Sie bitte Verständnis dafür, dass wir uns ein Bild über die Lebensumstände von Herrn Marcks machen müssen.« Er macht eine Handbewegung, die die Schwedenmöbel und noch mehr einbeziehen soll. »Er hat zur Miete hier gewohnt?«
    »Nein. Es ist eine Eigentumswohnung.«
    »Er hat sie geerbt?«
    »Aber nein, wie kommen Sie darauf?«, fragt Anneliese Januschkat zurück, »die hat er vor vier oder fünf Jahren gekauft …« Sie bricht ab, als dämmere ihr, dass sich jetzt eine nächste Frage aufdrängen muss. »Aber ganz falsch liegen Sie nicht, er muss damals eine kleine Erbschaft gemacht haben, von einem kinderlosen Onkel in den USA , aber so genau weiß ich das nicht, damals waren wir noch nicht zusammen … Aber Sie müssen mich nicht für dumm halten, ich verstehe, worauf Sie hinauswollen. Dass nämlich ein kleiner Verwaltungsangestellter sich so eine Wohnung nicht leisten kann.« Sie sieht Keith ins Gesicht, starr und gerade. »Aber das ging auch nur, weil er sehr sparsam gelebt hat. Schauen Sie sich nur sein altes Auto an! Und die zwei Sparbücher – also ich sage Ihnen, eine große Hochzeit hätten wir damit nicht ausrichten können. Andere, richtige Bücher sind ihm wichtiger. Deswegen haben wir ja mit der Heirat auch noch gewartet.«
    Und die ganze Zeit sieht sie ihm ins Gesicht, unverändert starr. Keith gibt den Blick zurück, und wenn sie darin lesen könnte, würde sie wissen, dass er ihr kein Wort glaubt. »Ich verstehe«, sagt er höflich. »Aber ich würde mir jetzt doch gerne ansehen, was an schriftlichen Unterlagen vorhanden ist – Konto-Auszüge, den Kaufvertrag für die Wohnung, vielleicht auch den amerikanischen Erbschein. Herr Marcks hat das ja sicherlich alles sehr gewissenhaft geführt und aufbewahrt.«
    Über das Gesicht der Januschkat zieht ein Anflug von Unmut oder Widerspruch, dann scheint sie zu begreifen, dass sie jetzt besser klein beigibt. Sie steht seufzend auf, auch Keith erhebt sich und bleibt einen Augenblick vor dem mächtigen Bücherschrank stehen, hinter den Glasscheiben Scharteken aus Kaiser Wilhelms Zeiten oder älter, Keith kennt sich da nicht aus, es sind jedenfalls keine Prachtausgaben, manche sind nicht einmal richtig gebunden.
    »Hier«, sagt Anneliese Januschkat und zeigt auf einen Sekretär aus Kirschbaumholz, dessen Maserung sich über Schubladen, Leisten und Schreibplatte hinweg fortsetzt, so dass man sieht, es ist alles aus einem Stück gearbeitet. »Aber den Schlüssel müssen Sie haben, der ist an seinem Schlüsselbund …« Unversehens wendet sie sich ab und fährt sich mit dem zerknüllten Taschentuch, das sie in der Hand gehalten hat, über die Augen.
    H arlass hat den Jutesack über die Leiche gebreitet und darüber wieder ein paar Handvoll Laub gestreut, dann den Sack mit ein paar der Backsteine so weit beschwert, dass der Wind ihn nicht wegwehen kann. Das reicht gerade aus, damit einem Spaziergänger oder Radfahrer, der irgendwann auf dem Fahrweg vorbeikommen wird, nichts aufzufallen braucht. Den Toten und ein paar Backsteine in den Sack zu packen und in dem Gewässer auf der anderen Seite des Unterstands zu versenken, dafür hat er keine Zeit. Und auch keine Lust. Der Tote ist zu schwer. Und der Boden zu sumpfig. Auch wenn hinter dem Unterstand so etwas wie ein Trampelpfad zu dem Gewässer führt.
    Er wirft einen letzten Blick auf Jutesack, Laub und Backsteine und wischt sich mit der Hand über Augen und Gesicht. Irgendetwas ist komisch, er schaltet wieder die Stablampe ein und schaut sich die Hand an, die voller Blut und angetrockneter Blutreste ist. Scheiße, denkt er, wo wisch

Weitere Kostenlose Bücher