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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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wieder auf dem Lenkrad. »Da kannst du nicht bleiben«, sagt Harlass und löst den Sicherheitsgurt von Regulskis Schulter. Dann beugt er sich wieder in den Wagen, greift unter Regulskis Arme und zieht ihn erst ein wenig hoch und dann zur Seite. Der schwere Körper kippt ihm entgegen, das macht es ihm leichter, er stemmt den einen Fuß gegen den Rahmen vom Fahrzeugchassis und zerrt den Körper nach draußen. Plötzlich geht es ein wenig leichter, er tritt – die Arme noch immer um Regulskis Brustkasten gelegt – ein, zwei Schritte nach hinten, erst hängt der Körper durch, dann ploppen die Füße vom Chassis auf den Boden. Harlass verharrt einen Augenblick, wer keucht da so? Er selbst ist es, der Mann in seinen Armen ist unglaublich schwer, aber kein Gebrabbel mehr, er blickt nach unten und sieht nur den nach vorne hängenden Kopf mit den kurz geschnittenen grauen Haaren und dem sauberen kreisrunden Loch, aus dem das Vollmantel-Projektil wieder ausgetreten ist. So also sieht das aus, denkt er und holt tief Atem und schleift den Mann weiter zu Baum und Gebüsch, und während er so Schritt für Schritt rückwärts geht, die Hacken bei jedem Schritt tief ins feuchte Erdreich stemmend, hört er eine Art Gurgeln oder Röcheln, bist du noch immer nicht hinüber, denkt er, ich hätte dir noch einmal eine geben sollen, aber dann ist er zwischen den Bäumen und geht langsam in die Knie und legt Jonas Regulski geradezu behutsam zwischen feuchtem Laub ab und richtet sich wieder auf, mit zitternden Knien, und lehnt sich gegen einen Baum, so erschöpft ist er.
    Er greift zu seinem Schulterhalfter und lässt die Hand wieder sinken. Er will mit der Munition nicht aasen. Vielleicht ist es auch gar nicht mehr nötig. Weil es unter den Bäumen schon dunkel wird, geht er zum Wagen zurück und schaut in Seiten- und Handschuhfach nach. Ein ordnungsbewusster Polizist und Autofahrer wird eine Stablampe dabeihaben. Aber er findet nur ein Handy, das liegt im Seitenfach – später, denkt er. Auf dem Rücksitz entdeckt er eine säuberlich zusammengefaltete Decke und darauf eine abgeschabte Aktenmappe, aber in der ist auch keine Lampe, nur ein Leitz-Ordner und eine Broschüre.
    Das kann eigentlich nicht sein, denkt er und geht nach hinten zum Kofferraum. Der Opel ist so alt, dass er den Deckel eigens aufschließen muss. Als der schließlich hochklappt, sieht er ein Erste-Hilfe-Set und dazu einen solid aussehenden Werkzeugkasten. Aber das ist nicht alles. Neben dem Werkzeugkasten liegt eine Reihe Backsteine, zwanzig oder dreißig Stück, dazu ein großer Jutesack, ordentlich zusammengelegt.
    Ach!, denkt Harlass und muss grinsen. Dann klappt er den Werkzeugkasten auf, ganz oben liegt funkelnd eine nagelneue Stablampe, er probiert sie aus, sie lässt sich regulieren und so hell einstellen, dass er den halben Wald damit ausleuchten kann. Er klemmt sich den Jutesack unter den Arm und geht zurück zu Regulski. Der liegt nicht mehr auf dem Rücken, sondern hat sich mit dem Oberkörper halb zur Seite gewälzt. »Noch immer nicht genug, Regulski?«, fragt Harlass und kniet sich neben den Polizisten. »Wofür hast du eigentlich den Jutesack mitgenommen? Und die Backsteine? Willst du mir das nicht sagen?« Aber Regulski bewegt sich nicht mehr, und es ist auch kein Röcheln mehr zu hören. Harlass wartet ein paar Augenblicke, dann richtet er die Stablampe auf das Gesicht, den Lichtstrahl voll aufgeblendet.
    Aber das eine Auge, das Regulski noch hatte, das blinzelt nicht mal.
    D as habe ich jetzt nicht verstanden«, sagt Kriminalhauptkommissar Wolfgang Keith und sieht sich um: ein großes, helles Zimmer, Parkett, Orientteppich, Stuckdecke, dann aber Schwedenmöbel und im Kontrast dazu ein mächtiger altmodischer verglaster Bücherschrank und ein sorgsam polierter Sekretär aus Kirschbaum – Empire oder Biedermeier? Das ist eine Frage, die sich in Keiths Berufsalltag eher selten stellt. »Wohnen Sie jetzt hier, oder halten Sie sich hier nur vorübergehend auf?«
    »Entschuldigen Sie«, sagt die Frau. Die Frau ist klein, zierlich, im ondulierten braunen Haar eine weiße Strähne. Anneliese Januschkat, 53 Jahre, verwitwet, Sachbearbeiterin im Baudezernat. Keine Tränen, aber das Gesicht ist gerötet, die Augen verschwollen. »Ich habe etwas genommen, müssen Sie wissen. Nur zur Beruhigung … gegen das Herzrasen.«
    Ist ja gut, denkt Keith. Außerdem weiß er auch so Bescheid. Manchmal rechnet es sich, nicht zu heiraten. Wenn die Frau zum Beispiel eine

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