Berndorf, Jacques (Hrsg)
den Wagen zog.
Inzwischen ging es auf Mitternacht, und er hatte immer noch nicht »Stop« gesagt.
»Warum ...«, begann ich.
»Ist doch egal, warum die Polizei hinter mir her ist«, sagte er. »Hauptsache ist doch, sie kriegen mich nicht, oder?«
Die Waffe hielt er immer vorsichtig bei sich, in der rechten Hand, sodass ich keine Chance hatte, hinüberzugreifen. Im Halbdunkel konnte ich ohnehin nur hin und wieder einen matten metallischen Schimmer sehen.
»Sie fahren gut«, meinte er nach einer Weile.
»Notgedrungen«, sagte ich. »Ich bin viel unterwegs.«
»Vertreter?«
Ich nickte und deutete auf Harry, der am Rückspiegel baumelte. Harry ist ein kleiner, rosaroter Plüschbär. »Spielzeug«, sagte ich. »Regionalrepräsentant Vulkaneifel. Daun-Bitburg-Wittlich.«
Er schaute kurz verträumt aus dem Fenster. »Großes Gebiet.«
»Schwach besiedelt.«
Er puhlte sich einen Rest Fleischwurst aus den Zähnen. »Ich dachte, das geht inzwischen alles über Internet.«
»Was?«
»Vertrieb«, nuschelte er. »Oder Ebay oder wie das heißt.«
»Kommt sicher auch bei uns bald«, sagte ich. »In der Eifel dauert alles ein bisschen länger.«
Er tippte Harry am Rückspiegel an und sah ihm eine Weile beim Schaukeln zu. »Und was haben Sie sonst noch im Sortiment?«
Ich hob die Schultern. »Harry der Bär ist unser Verkaufsschlager. Wahrscheinlich wegen Knut aus Berlin oder Bruno aus Bayern, keine Ahnung. Jedenfalls geht Harry weg wie geschnitten Brot. Dann kommt Rudi, das Schwein, auch rosarot, beste Verarbeitung, nicht mit dieser normalen Holzwolle gefüllt, sondern mit bestem Kunststoffmaterial. Ideal als Kuscheltier geeignet.«
Er amüsierte sich königlich.
»Persönlich mag ich Toto den Affen am meisten«, fuhr ich fort. »Zwanzig Zentimeter groß, bewegliche Arme und Beine mit Klettverschlüssen an den Pfoten, kleine runde Knopfaugen und eine rote Nase. Ich werde um ihn kämpfen, im Herbst.«
Er sah mich skeptisch an.
»Der Chef will Toto aus dem Programm nehmen, weil die Verkäufe zurückgegangen sind«, sagte ich. »Aber dagegen werde ich mich wehren. Ich schwatze jedem Kunden mindestens zwei Totos auf, damit er mir erhalten bleibt.«
Er kicherte.
»In welcher Branche sind Sie denn tätig?«, fragte ich.
Er wiegte den Kopf. »Finanzdienstleistungen.«
»Hört sich interessant an.«
Er blies die Backen auf und stieß die Luft aus. Er war ein kleiner, drahtiger Bursche von Anfang vierzig. Helle, blaue Augen, dünnes, blondes Haar und sonnengebräunte Haut. »Man muss sich halt durchbeißen!«
»Bankraub, nicht wahr?«, fragte ich mit einem Blick auf seinen Koffer. Er grinste still in sich hinein.
»Eigentlich eine schöne Art und Weise, sich ein Geld zu verdienen«, sagte ich.
Er blies wieder die Backen auf. »Was Sie sich so alles vorstellen«, meinte er dann.
»Die Kreissparkasse Daun heute Nachmittag?«, fragte ich. »Ich hab im Radio davon gehört. 45.000 oder so...«
»58.000«, korrigierte er mich.
»Für zwei Minuten Arbeit...«
»Quatsch«, sagte er. »Eine Woche. Umsehen. Angucken. Beobachten. Abwarten. Tüfteln. Verdammt schwer hier in der Gegend. Nach zwei Tagen im Hotel haben sie schon angefangen, mich auszufragen. Hier kennt jeder jeden.«
»Eifel eben«, sagte ich.
Er nickte. »Schwach besiedelt.«
»Ich dachte, das läuft inzwischen auch alles über Internet«, sagte ich. »So mit Hackern und so. Loggen sich bei der Bank ein und überweisen einfach alles in die Karibik.«
Er hob die Schultern. »Ich wickele das lieber noch persönlich ab.«
Eine Weile war es still. An der Abfahrt Wittlich standen Polizeiwagen. Ich hielt mich an die Richtgeschwindigkeit. Es gab kein Problem.
»Manchmal...«, murmelte ich.
Er hob den Kopf.
»Manchmal habe ich mir auch schon ausgemalt...«
»Vergessen Sie’s«, riet er mir. »Das ist nicht so einfach, wie Sie denken.«
»Aber wieso denn? Eine Pistole nehmen und eine Maske übers Gesicht. Und dann rein in die Bank...«
»So geht das vielleicht im Fernsehen«, sagte er. »Mal von den ganzen Alarmanlagen und versteckten Kameras abgesehen – woher wollen Sie denn eine Pistole kriegen?« Er hob seine Waffe ein wenig, aber ich sah sie nicht deutlich. »Ich sag nur: Auf keinen Fall übers Internet.«
»Nun, ich denke, da wird es sicher einschlägige Kneipen geben, in Trier vielleicht oder Bitburg, wo man...«
»Was denken Sie sich eigentlich«, meinte er etwas ungehalten. »Dass Sie da reingehen und ein Bier und eine Wumme
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