Berndorf, Jacques (Hrsg)
Streuobstwiese an ihn verkaufen wolle. Die liegt nämlich genau zwischen dem Land vom Jupp und der Bundesstraße nach Prüm. Eine Tankstelle, McDonalds oder einen Lidl könnten sie dann da hinsetzen, würde ja noch fehlen hier. Nur schnell müsse es gehen, sonst würde anderswo gebaut. Der Hein ist ihm fast an die Gurgel. »Schotter ist alles, was du im Kopf hast!«, brüllte er.
»Dann kauf ich die Wiesen eben deinem Neffen ab, wenn du tot bist. Lange machst du es sowieso nicht mehr!«, sagte der Jupp und hat ganz fies gegrinst.
»Halt die Schnauze!«, schrie der Hein, die Tränen standen dem schon in den Augen.
»Lass gut sein, Hein!«, meinte ich und habe ihn nach Hause gebracht. Das muss so gegen elf gewesen sein. Danach bin ich zurück zur Kneipe. Der Jupp ist gegen zwölf Uhr gegangen. Kurz darauf hab ich den Schmitz gefragt, ob er mit nach Hause kommt. Wir haben ja denselben Weg. Als wir an Heins Hof vorbei gingen, kam der Jupp dort gerade aus dem Tor. »Verarschen kann ich mich selber!«, schrie er uns wütend zu.
Ob der Hein sonst noch Feinde gehabt habe, wollte der Kommissar wissen. Aber mit achtzig sind die meisten Feinde tot. Und Kinder hatte er ja auch keine, nur einen Neffen in München, und der hatte ja keinen Grund, also kein Motiv und außerdem eine gute Ausrede, also ein Alibi, weil in München ... Da meinte der Kommissar, das mit den Motiven und den Alibis solle ich besser ihm überlassen.
Dann hat er sich nach meinem Verhältnis zum Hein erkundigt. Dass ich den Hein aus dem Krieg kenne, hab ich erzählt, und dass ich 1950 neben seinen Hof gezogen bin. Wie wir uns genau kennen gelernt haben, war dem Kommissar egal. Wollte er gar nicht wissen, wie das damals war im Graben vor Breslau, kurz bevor die Russen kamen. Der Krieg interessierte den gar nicht richtig.
Der Hein hat mich all die Jahre unterstützt, obwohl ich mit meinem steifen Bein noch nicht mal Trecker fahren durfte, ich konnte nur kehren und Kartoffeln schälen und so. Und all die Jahre hat der Hein den Hof gehalten, obwohl der ja schon lange unrentabel war. Irgendwann musste er Land an den Jupp verkaufen, für ’nen Appel und ein Ei. Paar Monate später ist das dann Bauland geworden, und da hat der Jupp richtig abgesahnt. Das hab ich dem Kommissar erzählt, und dass der Jupp Schuld ist, dass der Hein noch an die Ostfront musste. Der Jupp hat nämlich den Nazis gesteckt, dass der Hein den Hitler einen Doof genannt hatte. Da haben die von der Landwehr ihn direkt an die Front geschickt. Und ein paar Monate später war der Krieg aus, und als der Hein aus der Gefangenschaft kam, hatte der Jupp schon längst Heins Luise geheiratet. Konnte man der ja auch nicht übel nehmen, fünf Jahre sind nicht gerade kurz. Und der Jupp war eine gute Partie, ein stattlicher Kerl mit einem großen Hof. Von seinem Verrat wusste die Luise ja noch nichts. Und als der Hein es ihr dann erzählen konnte, war es zu spät, da waren die Kinder schon auf der Welt. Drüber weggekommen ist die nie, Leberzirrhose mit siebenundvierzig.
Von Heins Krebs habe ich dem Kommissar auch erzählt. Er hätte nicht mehr lange gehabt, die Schmerzen sind immer schlimmer geworden. Doch dank der Schmerzmittel ging es ihm gestern Abend sehr gut, sogar in die Kneipe wollte er.
Worüber ich mit dem Hein gesprochen habe, als ich ihn dann nach Hause brachte, muss der Kommissar nicht wissen. Ist ja auch Privatsache. Ganz aufgeregt war der Hein. Dass der Jupp keinen Respekt vor dem Land habe, keinen Respekt vor gar nix. Er müsse die Wiese vor Jupp schützen, da solle mal keine Frittenbude hin. Die Luise und er hätten sich auf der Wiese zum ersten Mal geküsst, in der Woche, bevor er an die Front musste. Auch später haben sie sich dort noch getroffen, bis es der Jupp Wind von der Sache bekam und angefangen hat, die Luise zu schlagen.
Das hatte der Hein mir noch nie erzählt, so was behält man ja auch für sich. Ich habe mich gewundert. »Was kommt denn jetzt?«, hab ich gedacht, und dann hat der Hein weiter erzählt. Dass er die Wiese der Gemeinde habe schenken wollen, mit der Auflage, dass die nichts drauf bauen dürfen und alles so lassen müssen, wie es ist. Aber das wollten die nicht, vielleicht auch, weil der Schwiegersohn vom Jupp im Gemeinderat sitzt.
Ihm bleibe nicht mehr viel Zeit, hat der Hein dann gemeint. Er wolle hier bei sich auf dem Hof sterben, jetzt, wo das Obst bald reif sei, nur nicht im Krankenhaus, weil, da kenne er ja keinen und er sei ja nur Kassenpatient und
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