Berndorf, Jacques (Hrsg)
einfach aus dem Staub zu machen.
Sie beobachtete, wie Rabe am Tor rüttelte, Steine gegen die Baracke schleuderte und den Bauwagen anbrüllte.
Ihr fiel auf, dass hohes Gras die Zufahrt überwucherte. Hier gab es keinen Kalle, schoss es ihr durch den Kopf. Seit Jahren nicht mehr.
Rita stieg aus und gesellte sich zu Rabe. Sie brachte es über sich, zu lächeln und seinen Arm zu berühren. Nachdem sie so viel investiert hatte, kam ein Rückzug nicht mehr infrage.
»Ich weiß nicht, was du vorhast«, log sie. »Aber vergiss deine Kumpels von früher. Sie bringen dich nur auf die schiefe Bahn. Der Bewährungshelfer verschafft dir einen Job. Eine Bleibe hast du schon. Lass uns nach Bonn fahren.«
»Gib mir dein Handy!«, blaffte Rabe.
Rita zögerte, dann sagte sie: »Das halte ich für keine gute Idee.«
»Wieso?«
»Kalle war damals dabei, stimmt’s?«
»Nein. Ich hab’s ganz allein getan.«
»Aber er hat die Beute für dich versteckt?«
Rabe blickte sich um. Leise sagte er: »Wie kommst du darauf?«
»Ich kann mir vorstellen, dass sich die Bullen dafür interessieren. Und wenn sie die Post überwacht haben, dann wissen sie über uns Bescheid.« Rita zog ihr Mobiltelefon aus der Jackentasche und hielt es ihm hin. »Du kannst es gern benutzen, aber womöglich haben es die Bullen angezapft. Ruf lieber den Bewährungshelfer an. Zieh einen Schlussstrich, wenn es dir ernst mit uns ist.«
Er zeigte schief gewachsene Zähne. Seine schwielige Hand strich über ihre Wange. »Du bist wirklich ein Schatz.«
Als sie ins Auto stiegen, war wieder sein Geruch in ihrer Nase.
»Im Ort ist eine Kneipe«, erklärte Rabe. »Das Telefon dort hört garantiert keiner ab.«
Der locker sitzende Keilriemen hörte nicht auf zu lärmen, als sie eine Backsteinkirche mit rotweißem Turm erreichten. Links die ersten Häuser Die Kreuzung dahinter schien bereits das Zentrum zu sein.
Die Kneipe gab es nicht mehr.
Eifelsonne
stand an der Scheibe.
Bräunen ab einem Euro
.
»Warte hier«, sagte Rabe.
»Vergiss die Beute. Das ist sie nicht wert.«
Er küsste ihre Wange. »Mach keine Sprüche, Süße. Es mag Leute geben, für die das nur Peanuts sind. Aber ich gehöre nicht dazu und du auch nicht.« Rabe sah auf die Uhr. »Der heutige Tag wird unser Leben verändern. Eine Million, verstehst du? Und glaub nicht, dass ich noch in Mark rechne, nur weil ich so lang hinter Gittern war.«
Rita rang sich ein Lächeln ab. Sie ballte die Fäuste, als er durch die Glastür des Bräunungsstudios verschwunden war. Eine Million Euro?
Wie hatte Rabe es ausgedrückt? Nichts sei sicher und auf niemanden sei Verlass. Da war was dran. Der schöne Scheißkerl, für den sie Rabe ausspionierte, hatte ihr bloß ein Fünftel der Summe genannt. Fiel sie immer nur auf Betrüger herein?
Rita startete den Corsa. Nichts wie weg aus diesem Intrigenspiel. Sie legte den Gang ein. Doch dann überlegte sie es sich anders und würgte den Motor ab.
Sie würde es durchziehen, jetzt erst recht. So einfach haut mich keiner übers Ohr, dachte Rita.
Der Himmel verdunkelte sich, und es sah nach Regen aus. Kleinschmitt war es Leid, die beiden Kripoleute durch die Gegend zu chauffieren. Sie hatten erwartet, dass Rabe sich zurückfahren lassen würde. Stattdessen gurkten sie nun quer durch die Karpaten.
Am schlimmsten fand Kleinschmitt den Dicken neben ihm – doof wie ein Gullydeckel und trotzdem den Chef markierend. Noch eine Woche, dann würde das Praktikum beim Kommissariat für Raub und Eigentumsdelikte überstanden sein. Die Kripo war nicht seine Zukunft, überlegte Kleinschmitt. Vielleicht stattdessen das Spezialeinsatzkommando.
Auf einer kurvigen Straße folgten sie Rabes weißem Corsa, der immer wieder außer Sicht geriet. Eine Meute auf schweren Motorrädern überholte. Als lieferten sich die Biker ein Rennen. Der Nürburgring lag nicht nur in der Nähe, er war offenbar überall.
Hauptkommissar Kaufmann steckte das Handy weg und tat kund, was er gerade recherchiert hatte: »Vermutlich ist Rabe auf dem Weg zu Karlheinz Assauer, genannt Karossen-Kalle. Hat mit seiner Werkstatt in Kaltenborn Pleite gemacht und lebt jetzt in Adenau. Dort läuft der Betrieb auf dem Namen seiner Frau. Assauer und Rabe sind im gleichen Jahr geboren, vermutlich Schulfreunde. Wetten, dass dieser Kalle der Komplize ist, den wir suchen.«
»Oder auch nicht«, brummte Olschewskis Stimme vom Rücksitz.
Kaufmann wandte sich an Kleinschmitt und verströmte Zwiebelgeruch. »Ollis Alte hat seit
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