Berndorf, Jacques (Hrsg)
Stimme wird leiser. »Denster ...«, krächzt er.
In der Kurve wird eine Frau vom Balkon geschossen, und der Subaru verschwindet. Menschen schreien durcheinander. Um das Mühlrad kümmerte sich keiner mehr. »Was ist mit Daufenbach?«, frage ich.
»Begraben ...« krächzt er. Aus seinem Mundwinkel rinnt Blut. »Am Wegkreuz ... geweihte Erde ...« Dann hört mit einem Mal sein Husten auf.
* * *
In dieser Nacht finde ich kaum Schlaf. Wenn ich aus dem Fenster blicke, sehe ich, dass der Himmel rötlich erleuchtet ist. Immer wieder höre ich Sirenen. Außerdem ist eine Mücke im Zimmer.
Der nächste Tag begrüßt mich wolkenverhangen. Mein Urlaub ist vorbei und auch der Sommer in der Eifel.
Der Wirt ist heute morgen in der Küche beschäftigt. Gut so. Die Details der schrecklichen Dinge, die sich in der Nacht zugetragen haben, will ich nicht mehr hören.
Als ich in Richtung Autobahn fahre, bemühe ich mich, an Denster und Orft vorbei zu schauen. Trotzdem nehme ich Rauchschwaden wahr.
Auf der Anhöhe sehe ich ein Wegkreuz. Hübsch eingefasst von einem kleinen Platz aus Natursteinpflaster steht es da, rechts und links flankiert von zwei Holzbänken für Wanderer. Unter einer schweren Blumenvase, in der ein paar Sonnenblumen ihre tellergroßen Köpfe hängen lassen, liegt eingeklemmt eine orangefarbene Frotteemütze.
Es ist das richtige Kreuz.
Ich winke Daufenbach noch einmal. Er hat sich hier in der Eifel so sicher gefühlt. So kann man sich irren. Ganze vier Jahre hat es gedauert, bis ich ihn hier aufgespürt habe.
Ich finde, ich habe meine Sache sehr gut gemacht.
Ein kräftiger Schlag und Feierabend.
Dann gebe ich Gas und kehre diesem gewalttätigen Landstrich den Rücken.
Promille
von Sandra Lüpkes
Es ist 15.30 Uhr. Am Nürburgring scheint die Sonne. Ich stelle mein Bike am alten Bauwagen ab. Dahinter sitzen schon ein paar Freaks auf Campinghockern und essen Ölsardinen. Soll die Magenwände schmieren und den Alkohol verträglicher machen. Haben angeblich schon unsere Großväter so gemacht. Ich stehe nicht auf Hausmittelchen.
Setze mich neben Frederic. Er stinkt auch nach Fisch. »Hi!«, sagt er. »Auch wieder dabei?«
Er freut sich nicht, mich zu sehen, und er bemüht sich auch nicht, dieses Missfallen zu verbergen. Genau wie die anderen, die sich mit fischöligen Händen Zigaretten drehen und mir nur kurz zunicken. Sie wissen, dass ihre Chancen sinken, wenn ich mit von der Partie bin. Vor allem, seitdem
Tetanus
außer Gefecht ist.
Es ist 15.31 Uhr. Und heute geht es um viel Geld.
Arne schleppt die Dosen ran. Fünf Paletten echtes Halbliterbier, gesponsert vom
Trink Gut
. Der Gewinn kommt direkt von der Eifeler Brauerei. Fünftausend Euro, soviel gab es noch nie. Deswegen mache ich mit. Obwohl ich damals gesagt habe, dass ich mich in Zukunft von solchen Sachen fernhalten würde. Nachdem diese Sache mit
Tetanus
passiert ist, habe ich die Finger von den Wettbewerben gelassen. Aber so eine Summe? Ich will im Sommer bei den Amateur-Motorradmeisterschaften auf dem Ring starten, das war immer mein Traum, aber bislang konnte ich mir das Startgeld nicht leisten. Da brauche ich auf jeden Fall noch Taschengeld. Und bislang bin ich fast ungeschlagen im Dosenstechen.
Ich höre, wie Frederic einem Neuling meinen Namen zuflüstert.
Piranha
heiße ich in diesen Kreisen, weil ich die Löcher mit den Zähnen ins Weißblech beiße. Meinen wirklichen Namen kennt keiner. Genau wie mir die Teilnehmer eigentlich fremd sind. Ich saufe nur mit ihnen um die Wette.
Ich weiß auch bis heute nicht, wie
Tetanus
in Wirklichkeit hieß.
Es ist genau 16 Uhr. Dreizehn Teilnehmer, davon fünf Neue, gegen die ich noch nie angetreten bin. Wir stechen die Löcher unten in die Nähe des Dosenbodens, setzen die Lippen an, ziehen den Deckel ab und Prost!
Die ersten fünfhundert Milliliter sind die schlimmsten. Da denkst du schon nach ein paar Schlucken, du müsstest brechen. Aber die Grenze des Machbaren ist noch lange nicht erreicht. Und obwohl es widerlich ist, finde ich es auch faszinierend, wie viel in so einen Menschen reinpasst, und dann noch in dem Tempo. Ich lasse mir immer Zeit für die erste Dose. Die Konkurrenz sticht schon wieder, während ich noch an der Hälfte schlucke.
Es ist 16.04 Uhr. Die Zweite zischt. Ich denke an
Tetanus
. Er war der Einzige, der mich jemals besiegt hat. Er war der Einzige, gegen den das Trinken Spaß gemacht hat, eine Herausforderung gewesen ist, vielleicht sogar ein Sport. Er hat in
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