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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel
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dem Flammen speienden Drachen auf dem Motorradhelm angezogen wurde, war dem Italiener die Nähe der Feuerberge mit ihren unterirdischen, heimtückischen Magmakammern, in denen das Unheil im Verborgenen kochte und brodelte, plötzlich bewusst wie nie zuvor. ... Aber ob ihm damals wirklich bereits die ersten Bedenken gekommen waren? Er erinnerte sich nicht.
    Das Schicksal amüsiert sich damit, auf verschlungenen Pfaden zu wandeln, aber Italiener haben damit kein Problem, und so akzeptierte Salvatore ohne großes Aufbegehren, dass es ausgerechnet ihn erwählte, das Land zu retten, das längst zu seiner neuen Heimat geworden war. Selbst, wenn es ihm anfangs, vor fünfzehn Jahren, als er von Napoli ins frostige Germania zog, zugegebenermaßen etwas schwer gefallen war, sich mit diesem seltsamen Menschenschlag hier anzufreunden. Im Vergleich zu den italienischen Meridionali waren die Eifeler ein bisschen schwerfällig, fand er. Nicht ohne ihnen zugute zu halten, dass ihr trägeres Blut wahrscheinlich davon herrührte, dass sie gezwungen waren, eine traurige Existenz fernab vom Meer zu führen. Dass ihnen die Natur nichts Spektakuläreres vergönnte als Wiesen und Berge, Wälder und Kälte und diese lächerlichen Pfützen, die sie Maare nannten. Vielleicht, dachte er damals manchmal, hätte er die Deutschlandkarte genauer studieren sollen, ehe er sein Schiff verkaufte und mit dem Erlös das Pizzamare in der Dauner Bahnhofstraße eröffnete. Und es dauerte Jahre, bis ihm klar wurde, wie abgrundtief er sich geirrt hatte, wie viel diese karge Landschaft doch mit seiner kampanischen Heimat gemein hatte, zumindest unter der trostlosen Oberfläche ... Wie sehr die Seelen dieser schweigenden Hügel der von
a muntagna
ähnelten, dem Berg seiner Jugend. Dem Berg, dessen Zorn ganze Städte auszulöschen und Tausende von Menschen in den Tod zu schicken vermochte ...
    Jedenfalls, weil Salvatore aus eigener Erfahrung wusste, wie es sich anfühlte, als Kapitän fern vom Meer zu leben, waren Max und Rudi ihm so sympathisch, als sie das erste Mal bei ihm aufkreuzten, das erste Bitburger bestellten, neugierig und misstrauisch beäugt von all den Alteingesessenen. Vor allem mit Max verstand Salvatore sich auf Anhieb.
    »Wie hältst du’s bloß aus hier?«, fragte Max den Italiener schon bei den ersten Vertraulichkeiten, als Salvatore ihm von den reichen Touris erzählte, die er jahrzehntelang nach Ischia, Capri und Sorrent geschippert hatte, und danach, wie um die Glaubwürdigkeit seiner Vergangenheit zu untermauern, die Caprifischer sang, genau wie früher für die Frauen auf seinem Boot. Mit schmelzender Stimme und der Hand über dem Herzen. Wobei ihn die Eifel-Stammtischler anstarrten als sei die kleine Darbietung der Gipfel der Exotik.
    »Die Leute hier und ich, wir haben einander nichts zu sagen«, maulte Max. »Die schwafeln alle nur von dem letzten Rennen am Nürburgring. Ich meine, was ist schon so toll daran, mit einem Auto im Kreis zu rasen, wenn die Straße nicht mal Wellen schlägt?! Und wenn ich zur Abwechslung von den Kawenzmännern am Bayerischen Meer anfange, den vom Sturm aufgepeitschten Monsterwellen, die komplette Schiffe mit Mann und Schnapsflasche in Minutenschnelle versenken, kapiert kein Mensch, wovon ich rede ...«
    »Bayerisches Meer?« Das kannte Salvatore nicht und musste sich belehren lassen, dass mit dieser leicht hochtrabenden Bezeichnung der Chiemsee gemeint war.
    »Du bist der einzige Lichtblick, Salvatore! Ein strahlender Leuchtturm in einem Ozean der Langeweile ...« Und jetzt geriet Max seinerseits ins Schwärmen, schilderte die vielfältigen Gefahren seiner Touren nach Herrenchiemsee in den glühendsten Farben, als handle es sich um die berühmte Chinaroute, die einst die englischen Teeklipper befahren hatten. »Und kannst du dir vorstellen, dass mir der idiotische Richter glatt das Kapitänspatent entzogen hat? Nur weil ich nach ein paar Stamperl Bärwurz die vor sich hin dümpelnde Yacht irgendeines Münchner High-Society-Idioten versenkt hatte, inklusive der barbusigen Schönheiten an Deck, die zu dämlich waren, um sich schwimmend zu retten! Ohne diesen spießigen Paragraphen-Breittreter würde ich immer noch täglich zum Schloss unseres bayerischen Märchenkönigs hinausgondeln!«, setzte er unglücklich hinzu, und gemeinsam mit Rudi und Salvatore begoss er sein trauriges Geschick mit einer Runde Wermutschnaps.
    Bei der nun Rudi verriet, dass es die Pheromone der schönen Gisela gewesen waren, die

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