Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
kriege nicht mal einen anständigen Kater.»
In der Küche kochte ich mir einen Kaffee, den man mit Messer und Gabel hätte essen können, und dann wusch ich mich.
Mit dem Rasieren wollte es nicht klappen; als ich reichlich Eau de Cologne auf der Haut verteilte, wurde ich fast ohnmächtig.
In Inges Wohnung meldete sich noch immer niemand.
Mich selber und meine sogenannte Spezialität, das Auffinden vermißter Personen, verfluchend, rief ich beim Alex an und bat Bruno, festzustellen, ob die Gestapo sie vielleicht verhaftet hatte. Das erschien mir als die naheliegendste Erklärung. Wenn ein Lamm aus einer Herde vermißt wird, gibt es keinen Grund, auf Tigerjagd zu gehen, wenn es auf demselben Berg noch ein Wolfsrudel gibt. Bruno versprach sich umzuhören, doch ich wußte, daß es mehrere Tage dauern konnte, ehe er etwas erfuhr. Trotzdem gammelte ich den Rest des Morgens in meiner Wohnung herum und hoffte, Bruno oder Inge selbst würden anrufen. Ich starrte ausgiebig an die Wände und die Decke und begann sogar wieder, über den Fall Pfarr nachzudenken. Als es Mittag wurde, war ich in der Stimmung, jemandem mit neuen Fragen auf den Leib zu rücken.
Es war keine Ziegelmauer nötig, die mir auf den Kopf fallen mußte, um mir klarzumachen, daß es einen Mann gab, der eine Menge Antworten parat haben konnte.
Dieses Mal war das große schmiedeeiserne Tor zu Six' Anwesen verschlossen. Um die mittleren Pfosten war eine Kette geschlungen, die mit einem Schloß gesichert war. Und das kleine Schild «Zutritt verboten» war durch ein neues ersetzt worden, das lautete: «Zutritt verboten. Kein Durchgang.» Es schien, als sei Six plötzlich mehr um seine Sicherheit besorgt.
Ich parkte dicht an der Mauer, und nachdem ich die Pistole, die ich aus meinem Nachttisch genommen hatte, in die Tasche gesteckt hatte, stieg ich aus und kletterte auf das Wagendach. Die Mauerkrone war leicht zu erreichen, und ich zog mich hoch und setzte mich rittlings auf die Brüstung. Mit Hilfe einer Ulme ließ ich mich auf den Boden hinunter.
Ich konnte mich nicht an ein Knurren erinnern, und ich hörte kaum das Geräusch der Hundepfoten, als diese über die gefallenen Blätter auf mich zu hetzten. In letzter Sekunde hörte ich einen schweren, keuchenden Atem, der mir die Haare zu Berge stehen ließ. Der Hund setzte bereits zum Sprung auf meine Kehle an, als ich feuerte. Unter den Bäumen hörte sich der Schuß bescheiden an, beinahe zu bescheiden, um so ein Untier wie einen Dobermann zu töten. Als er tot zu meinen Füßen zusammensackte, trug der Wind das Geräusch bereits davon und vom Hause weg. Ich ließ meinen Atem ausströmen, den ich beim Schuß unwillkürlich angehalten hatte, und während mein Herz so heftig schlug wie eine Gabel in einer Schüssel Eiweiß, drehte ich mich instinktiv um, denn mir fiel ein, daß es hier ja zwei Hunde gab.
Für eine Sekunde oder zwei hatte das Rascheln der Blätter über meinem Kopf das leise Knurren des anderen Hundes überdeckt. Der Hund erschien unsicher auf der Lichtung zwischen den Bäumen und wahrte mir gegenüber die gebührende Distanz. Ich trat zurück, als er sich seinem toten Gefährten näherte, und als er den Kopf senkte, um an dessen offener Wunde zu schnuppern, hob ich noch einmal meine Waffe. Mitten in einem plötzlichen Windstoß feuerte ich. Der Hund jaulte auf, als die Kugel ihn von den Läufen riß. Er atmete noch eine kurze Zeit, dann lag er still.
Ich steckte die Waffe ein, trat unter die Bäume und ging über den langen Abhang auf das Haus zu. Irgendwo schrie der Pfau, und ich schloß nicht aus, daß ich auch ihn erschießen würde, falls ich unglücklicherweise über ihn stolpern sollte. Es ist bei einem Mord nicht ungewöhnlich, daß der Mörder sich für das Hauptereignis in Schwung bringt, indem er unterwegs ein paar unschuldige Opfer, wie die Haustiere, aus dem Weg räumt.
Die Arbeit des Detektivs ist überall dieselbe: Er muß Ketten bilden, Verbindungen herstellen. Mit Paul Pfarr, von Greis, Bock, Mutschmann, Dieter Helfferich und Hermann Six hatte ich eine Kette, die stark genug war, mein Gewicht zu tragen. Die von Paul Pfarr, Eva, Haupthändler und Jeschonnek war kürzer und von völlig anderer Art. Es war nicht so, daß ich die Absicht hatte, Six zu töten. Es war bloß so, daß ich diese Möglichkeit nicht ausschloß, sollte ich keine zufriedenstelIenden Antworten bekommen. Folglich war ich ein bißchen verlegen, als ich mich, während mir diese Gedanken noch durch den
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