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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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führte auch zum Leichenschauhaus der Polizei.
    Ich ging lässig einen Korridor entlang und stieg ins Kellergeschoß hinunter, vorbei an einer kleinen Kantine, bis zu einer Feuertür. Ich entriegelte sie und trat auf einen großen, gepflasterten Hof, auf dem zahlreiche Streifenwagen parkten. Einer davon wurde von einem Mann in Gummistiefeln gewaschen, der mich nicht beachtete. Ich überquerte den Hof und tauchte in eine weitere Türöffnung. Diese Tür führte in den Kesselraum, und dort blieb ich einen Augenblick stehen, um mir alles noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Ich hatte nicht zehn Jahre am Alex gearbeitet, um jetzt den Weg nicht zu wissen. Meine einzige Sorge war, ich könne jemandem begegnen, der mich kannte. Ich öffnete die einzige andere Tür, die aus dem Kesselraum führte, und erreichte über eine kurze Treppe einen Gang, an dessen Ende sich das Leichenschauhaus befand.
    Als ich das Vorzimmer betrat, schlug mir ein säuerlicher Geruch entgegen, der Erinnerungen an warmes, feuchtes Geflügelfleisch heraufbeschwor. Er mischte sich mit dem von Formalin zu einem ekelerregenden Cocktail, den ich, kaum hatte ich ihn eingeatmet, im Magen spürte. Das Zimmer, spärlich mit einem Tisch und ein paar Stühlen möbliert, enthielt nichts, was den unvorsichtigen Besucher vor dem gewarnt hätte, was hinter den zwei Glastüren lag, ausgenommen der Geruch und ein Schild mit der schlichten Aufschrift: «Leichenschauhaus. Zutritt verboten ». Ich öffnete die Tür einen Spaltbreit und lugte ins Innere.
    In der Mitte eines kalten, feuchten Raumes stand ein Operationstisch mit einer Trennmulde in der Mitte. Zu beiden Seiten einer verschmierten Porzellanrinne waren zwei leicht geneigte Marmorplatten, so daß Flüssigkeiten von einer Leiche in die Mitte fließen konnten. Dort wurden sie vom Wasser eines der beiden großen, sprudelnden Hähne, die an jedem Ende angebracht waren, in einen Abfluß gespült. Der Tisch war so groß, daß auf jeder Seite der Trennmulde zwei ausgestreckte Leichen liegen konnten, auf jeder Seite der Trennmulde einer; doch im Augenblick befand sich dort nur ein männlicher Leichnam unter dem Skalpell und der Säge. Diese wurden gehandhabt von einem gebeugten, schlanken Mann mit gelichtetem, dunklem Haar, einer hohen Stirn, einer langen Hakennase, auf der eine Brille saß, einem gepflegten Schnurrbart und einem kleinen Kinnbärtchen. Er trug Gummistiefel, eine dicke Schürze, Gummihandschuhe, einen steifen Kragen und eine Krawatte.
    Ich schritt leise durch die Tür und betrachtete mit professioneller Neugier die Leiche. Ich trat näher und versuchte zu erkennen, was den Tod des Mannes verursacht hatte. Es war nicht zu übersehen, daß der Körper im Wasser gelegen hatte, denn die Haut war aufgeschwemmt und löste sich wie Handschuhe und Socken von den Händen und Füßen.
    Ansonsten war die Leiche weitgehend in annehmbarem Zustand, mit Ausnahme des Kopfes. Dieser war schwarz und vollkommen formlos, wie ein schlammiger Fußball, und der obere Teil der Schädeldecke war abgesägt und das Gehirn entfernt worden. Es lag nun in einer nierenförmigen Schale, um seziert zu werden.
    Mit dem gewaltsamen Tod in all seinen schrecklichen Formen, verzerrten Stellungen und seiner viehischen Fleischheit konfrontiert, reagierte ich darauf nicht anders als beim Blick in das Schaufenster meines «Deutschen Schlachterladens », bloß daß es hier mehr Fleisch zu sehen gab. Manchmal war ich selber verblüfft über meine absolute Gleichgültigkeit beim Anblick der Erstochenen, der Ertränkten, der Zermalmten, der Erschossenen, der Verbrannten, der Erschlagenen, obwohl ich genau wußte, woher diese Gefühllosigkeit rührte. An der türkischen Front und während meines Dienstes bei der Kripo hatte ich so viele Tote gesehen, daß ich fast aufgehört hatte, einen Leichnam für etwas Menschliches zu halten. Diese Gewöhnung an den Tod hatte fortgedauert, nachdem ich Privatdetektiv geworden war und die Spur einer vermißten Person oft genug ins Leichenschauhaus des St.-Gertrauden-Hospitals oder zu einer Rettungsstation an einem Anlegeplatz des Landwehrkanals führte.
    Ich stand ein paar Minuten da und starrte auf das grausige Bild vor mir und grübelte darüber nach, was wohl dazu geführt hatte, daß der Schädel und der übrige Körper sich in so verschiedenem Zustand befanden, als Dr. Illmann sich schließlich umsah und mich erblickte.
    « Guter Gott», knurrte er. «Bernhard Gunther. Leben Sie noch?» Ich näherte

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