Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
I11mann, der allein in einer Ecke saß und an einer Flasche Engelhardt nuckelte. Ich bestellte zwei weitere Flaschen und setzte mich, während die SA-Leute ihren Gesang beendeten und der Bucklige zur Hinrichtung einer meiner Lieblingssonaten von Schubert schritt.
«Wie kann man sich bloß so einen höllischen Ort aussuchen », sagte ich grimmig.
«Tut mir leid, aber ich finde ihn merkwürdigerweise anheimelnd.»
«Genau der Ort, um dem freundlichen Leichenräuber von nebenan zu begegnen. Sehen Sie denn tagsüber nicht genug Tote, daß Sie herkommen müssen, um in solch einem Leichenhaus zu trinken? »
Er zuckte unbeeindruckt die Achseln. «Nur durch den Tod, der mich umgibt, werde ich ständig erinnert, daß ich lebe.»
«Es gibt 'ne Menge gute Gründe für Nekrophilie.» 111mann schmunzelte, als pflichte er mir bei.
«Also, Sie wollen was wissen über den armen Hauptsturmführer und seine kleine Frau, wie?» Ich nickte. «Dies ist ein interessanter Fall, und, ich sage Ihnen offen, die interessanten Fälle werden zunehmend selten. Bei all den Leuten, die in dieser Stadt ins Jenseits befördert werden, würden Sie denken, ich sei ausgelastet. Aber natürlich ist in der Regel nichts oder wenig Geheimnisvolles an der Art, wie die meisten dahin gelangen. Ich stehe da und präsentiere die gerichtsmedizin ischen Beweise für einen Mord ebenjenen Leuten, die ihn begangen haben. Es ist eine verkehrte Welt, in der wir leben.» Er öffnete seine Aktentasche und nahm einen blauen Ringordner heraus. « Ich habe die Fotos mitgebracht. Ich dachte mir, Sie würden gern das glückliche Paar sehen. Leider sehen sie eher wie zwei Heizstäbe aus. Ich konnte die Identifizierung nur anhand ihrer Trauringe vornehmen.»
Ich blätterte den Ordner durch. Die Kameraperspektive wechselte, doch die Objektive blieben dieselben: zwei metallisch graue Leichen, glatzköpfig wie ägyptische Pharaonen, lagen auf den entblößten, geschwärzten Sprungfedern dessen, was einmal ein Bett gewesen war, wie Würste, die zu lange unter einem Grill gelegen haben.
« Hübsches Album. Was machten sie, hatten sie 'ne Schlägerei? » sagte ich, denn mir fiel auf, daß jeder Leichnam die Fäuste erhoben hatte wie ein Boxer.
« Bei einem Tod wie diesem ist das in der Regel so.» «Was ist mit den Schnitten in der Haut? Sehen aus wie von einem Messer.»
« Auch die waren zu erwarten», sagte Illmann. « Die Hitze bei einem Brand läßt die Haut aufplatzen wie eine reife Banane. Das heißt, wenn Sie sich daran erinnern können, wie eine Banane aussieht.»
« Wo fanden Sie die Benzinkanister ? »
Er hob spöttisch die Augenbrauen. « Oh, Sie wissen davon, wie? Ja, wir haben im Garten zwei leere Kanister gefunden. Sie waren nicht verrostet, und in einem davon war noch eine kleine Menge Benzin, die nicht verdunstet war.
Und die Feuerwehrleute haben einen starken Benzingeruch bemerkt.»
« Also Brandstiftung? » « Ohne Zweifel.»
« Warum haben Sie dann nach Kugeln gesucht? »
« Erfahrung. Bei einer Obduktion nach einem Feuer zieht man immer die Möglichkeit in Betracht, daß ein Versuch vorgelegen hat, Beweise zu vernichten. Das ist Routine. Ich fand drei Kugeln in der weiblichen, zwei in der männlichen Leiche und drei im Kopfteil des Bettes. Die Frau war tot, bevor das Feuer ausbrach. Sie wurde in den Kopf und in den Hals getroffen. Anders der Mann: In den Luftwegen fanden sich Rauchpartikel und im Blut Spuren von Kohlenmonoxyd. Das Zellgewebe war noch rosa. Er wurde in die Brust und ins Gesicht getroffen.»
« Hat man die Waffe schon gefunden? »
« Nein, aber ich kann Ihnen sagen, daß es höchstwahrscheinlich eine 7.65er Automatie war, ein bißehen schwergängig, wie 'ne alte Mauser.»
« Und aus welcher Entfernung wurden sie erschossen? »
« Ich würde sagen, daß der Mörder etwa hunderfünfzig Zentimeter von den Opfern entfernt war, als er feuerte. Die Ein- und Austrittswunden lassen darauf schließen, daß der Mörder am Fußende des Bettes stand; und natürlich die Kugeln im Kopfbrett. »
« Bloß die eine Waffe, richtig? » Illmann nickte. « Acht Kugeln», sagte ich. « Bei einer Taschenpistole ist das ein ganzes Magazin. Jemand wollte ganz sichergehen. Herrgott, haben die Nachbarn nichts gehört? »
« Offenbar nicht. Und wenn, dann haben sie wahrscheinlich gedacht, es sei bloß die Gestapo, die eine kleine Party hätte. Das Feuer wurde erst um zehn nach drei gemeldet, und um diese Zeit gab's keine Chance mehr, es unter Kontrolle
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