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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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zu bringen.»

    Der Bucklige am Harmonium streckte die Waffen, als die SA-Leute mit dem Absingen von «Deutschland, du unser Stolz» begannen. Einer von ihnen, ein stämmiger Bursche mit einer Narbe im Gesicht, so lang und fettig wie ein Stück Speckschwarte, marschierte um die Bar, schwenkte sein Bier und forderte die übrigen Gäste auf, in den Gesang einzustimmen. Illmann schien nichts dagegen zu haben und sang mit lauter Baritonstimme. Mein Gesang offenbarte eine beträchtliche Abweichung von der richtigen Tonart und Begeisterung. Lieder zu grölen macht noch keinen Patrioten. Das ärgerliche an diesen verdammten Nazis, besonders an den jungen, ist die Tatsache, daß sie glauben, ein Monopol auf Patriotismus zu haben. Und selbst wenn sie im Augenblick noch keines haben, läuft doch alles darauf hinaus, daß sie es bald haben werden.
    Als der Gesang beendet war, stellte ich Illmann noch ein paar Fragen.
    « Sie waren beide nackt», sagte er, «und hatten ordentlich gebechert. Sie hatte mehrere Ohios intus und er eine große Menge Bier und Schnaps. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß sie ziemlich betrunken waren, als sie erschossen wurden. Bei der Frau machte ich außerdem einen vaginalen Abstrich und fand frisches Sperma, das dieselbe Blutgruppe hatte wie die des Mannes. Ich denke, sie haben sich einen netten Abend gemacht. 0 ja, sie war im achten Monat. Ach, ja, das Leben ist kurz und beschissen.»
    «Sie war schwanger?» wiederholte ich nachdenklich. Illmann reckte sich und gähnte.
    «Ja», sagte er. «Wollen Sie wissen, was sie zum Abendessen hatten? »
    «Nein », sagte ich energisch. «Erzählen Sie mir lieber vom Safe. War er offen oder geschlossen? »
    « Offen.» Er hielt inne. «Wissen Sie, es ist interessant, daß Sie mich nicht fragten, wie er geöffnet wurde. Das läßt mich vermuten, Sie wußten bereits, daß der Safe zwar ein bißchen verschmort, aber ansonsten unversehrt war; daß der Safe, wenn er denn gesetzwidrig geöffnet wurde, von jemandem aufgebrochen wurde, der sein Handwerk verstand. Ein Stockinger-Safe ist kein Kinderspiel.»
    «Waren Fingerabdrücke dran?» Illmann schüttelte den Kopf.
    « Er war so verschmort, daß man keine Abdrücke nehmen konnte », sagte er.
    «Nehmen wir mal an», sagte ich, «daß der Safe, unmittelbar vor dem Tod der Pfarrs, enthielt - was er enthielt, und daß er, wie es sich gehört, für die Nacht verschlossen war.» «Gut.»
    «Dann haben wir zwei Möglichkeiten. Erstens: Ein professioneller Safeknacker brach ihn auf und tötete sie anschließend. Zweitens: Jemand zwang sie, den Safe zu öffnen, und schickte sie wieder ins Bett, wo er sie erschoß. Trotzdem, ein Profi hätte kaum die Safetür offenstehen lassen.»
    «Es sei denn, er versuchte alles, es wie die Arbeit eines Amateurs aussehen zu lassen», sagte Illmann. «Meine Meinung ist, daß sie beide schliefen, als sie erschossen wurden. Für mich läßt der Eintrittswinkel der Kugeln mit Sicherheit darauf schließen, daß sie beide lagen. Wenn Sie bei Bewußtsein sind und jemand richtet eine Waffe auf Sie, ist es mehr als wahrscheinlich, daß Sie sich im Bett aufsetzen. Und darum komme ich zu dem Schluß, daß Ihre Einschüchterungstheorie falsch ist.» Er blickte auf seine Uhr und trank sein Bier aus. Dann klopfte er mir auf den Oberschenkel und sagte mit Wärme in der Stimme: «Hat Spaß gemacht, Bernie. Wie in alten Zeiten. Wie angenehm, mit jemandem zu reden, dessen Vorstellung von Detektivarbeit sich nicht auf Rampenlicht und Schlagringe beschränkt. Trotzdem. Ich werde mich mit dem Alex nicht mehr lange rumplagen müssen. Unser berühmter Reichskriminaldirektor, Arthur Nebe, schickt mich in Pension, wie er schon die anderen alten Konservativen ausgemustert hat.»
    «Ich wußte gar nicht, daß Sie an Politik interessiert sind», sagte ich.
    «Bin ich auch nicht», gab er zur Antwort. «Aber lag's nicht in erster Linie daran, daß Hitler gewählt wurde: zu viele Leute, die sich einen Dreck darum kümmerten, wer das Land regierte? Das komische ist, daß ich mich jetzt noch weniger darum schere als vorher. Fällt mir doch nicht im Traum ein, auf den Zug zu springen und ein Märzgefallener zu werden. Aber es wird mir nicht schwerfallen, zu gehen. Mir hängen diese Kabbeleien zwischen Sipo und Orpo, wer die Kripo kontrollieren soll, zum Hals raus. Es ist sehr verwirrend, wenn man einen Bericht zu machen hat und nicht weiß, ob man unsere uniformierten Freunde von der Orpo einbeziehen soll oder

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