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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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nach einem guten Revier aus. Also werde ich wis sen, wo ich Sie suchen muß, falls Sie sich nicht mehr daran erinnern, mir Bescheid zu sagen. Kapiert?» Der alte Mann schien meine Besorgnis zu spüren. Er grinste häßlich. «Sie mag Sie ja vergessen haben, aber Sie können sicher sein, daß ich's nicht tun werde.» Sein Gesicht, von glänzenden Sprit zern und Ölflecken übersät wie ein Garagenboden, rötete sich, als ich den Griff verstärkte.
    «Geben Sie sich Mühe», sagte ich und ließ ihn los, nicht ohne ein gewisse Schuldgefühl, daß ich ihn so grob behandelt hatte. Zum Ausgleich gab ich ihm eine weitere Zigarette, ließ seine überschwenglichen Beteuerungen, weleh guten Cha rakter ich hätte, über mich ergehen und ging die Straße hin auf zu dem schmuddeligen Cafe.

    Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, doch es waren nicht ganz zwei Stunden, die ich dort saß, an einem großen, billig schmeckenden Cognac nuckelte, zahlreiche Zigaretten rauchte und auf die Stimmen rings um mich lauschte. Als der Kippensammler kam, um mich zu holen, trugen seine skro fulösen Züge ein triumphierendes Grinsen. Ich folgte ihm nach draußen auf die Straße.
    «Die Dame», sagte er, hartnäckig auf den Bahnhof deu tend, «ist in diese Richtung gegangen.» Er machte eine Pause, während ich ihm die restlichen zwei Zigaretten gab und fügte hinzu: «Mit ihrem Schätzchen. Ein Captain, glaube ich, jedenfalls, ein hübscher junger Bursche, wer er auch sein mag.»
    Ich blieb nicht stehen, um noch mehr zu hören, sondern ging so energisch es mir möglich war in die Richtung, die er mir gezeigt hatte.
    Ich hatte Kirsten und den amerikanischen Offizier, der sie begleitete, bald erspäht. Er hatte den Arm um ihre Schultern gelegt. Ich folgte ihnen in einiger Entfernung, und der Voll mond gestattete mir eine klare Sicht auf das gemächlich schlendernde Pärchen, bis es zu einem ausgebombten Miets haus kam, dessen eingestürzte Geschosse wie sechs Schichten Blätterteig übereinanderlagen. Sie verschwanden im Inneren. Ich fragte mich, ob ich ihnen folgen sollte. War es nötig, alles zu sehen? Bittere Galle stieg aus meiner Leber hoch und zer setzte den fettigen Zweifel, der schwer in meinen Eingewei den lag.
    Sie waren wie Moskitos: Ich hörte sie, bevor ich sie sah. Sie sprachen so schnell, daß mein Englisch nicht reichte, alles zu verstehen, doch sie schien zu erklären, sie könne nicht zwei mal hintereinander spät nach Hause kommen. Eine Wolke trieb über den Mond und verdunkelte die Szene, also schlich ich hinter einen riesigen Geröllhaufen, wo ich glaubte, bes ser sehen zu könne. Als die Wolke vorbeigezogen war und das Mondlicht unvermindert durch die kahlen Dachsparren fiel, konnte ich die beiden, die jetzt schwiegen, deutlich er kennen. Einen Augenblick boten sie ein Bild der Unschuld, als sie vor ihm kniete und er seine Hände auf ihren Kopf legte, als spende er ihr den Segen. Es verwirrte mich, daß Kirstens Kopf auf ihren Schultern sich ruckartig bewegte, doch als er stöhnte, wurde mir klar, was sich dort abspielte, und ebenso rasch überkam mich das Gefühl einer Leere. Ich schlich lautlos davon und betrank mich bis zur Besinnungs losigkeit.
    4
    Ich verbrachte die Nacht auf der Couch, ein Ereignis, das Kirsten, die längst im Bett schlief, als ich schließlich heimge torkelt kam, fälschlicherweise meiner Fahne zugeschrieben haben dürfte. Ich gab vor zu schlafen, bis ich hörte, wie sie die Wohnung verließ, wenngleich ich es nicht vermeiden konnte, daß sie mich auf die Stirn küßte, bevor sie fortging. Sie pfiff, als sie die Treppe hinunter und auf die Straße ging. Ich stand auf und sah ihr vom Fenster nach, als sie die Fasa nenstraße entlang zum Bahnhof Zoo ging, um mit dem Zug nach Zehlendorf zu fahren. Als ich sie aus den Augen verlo ren hatte, begann ich die Überreste meiner selbst zusammen zuraffen, mit denen ich den Tag überstehen konnte. Mein Kopf vibrierte wie der eines aufgeregten Dobermanns, aber nachdem ich mich mit einem eiskalten Waschlappen abgerie ben, ein paar Tassen vom Kaffee des Captains getrunken und eine Zigarette geraucht hatte, fing ich an, mich ein bißchen besser zu fühlen. Trotzdem, da ich viel zu sehr mit der Erin nerung daran beschäftigt war, daß Kirsten es dem amerika nischen Captain französisch besorgt hatte, und darüber nachsann, was ich ihm antun konnte, ohne auch nur einmal daran zu denken, was ich bereits einem Rotarmisten angetan hatte, war ich nicht so vorsichtig, wie ich es

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