Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
mich mit einem fra genden, zudringlichen Ausdruck an.
« Ja?» sagte ich. «Was gibt es? Was wollen Sie? »
Sie rümpfte mit kühler Verachtung die Nase und drückte mit ihrer behandschuhten Hand leicht gegen die Tür, so daß ich ins Zimmer zurückwich. Sie trat ein, schloß die Tür hin ter sich, lehnte sich dagegen und sah sich um, während meine Nase sich ein wenig an den Duft von Rauch, Alkohol und Parfüm gewöhnen konnte, den ihr käuflicher Körper ver strömte.
«Tut mir leid, wenn ich Sie geweckt habe», sagte sie, sah dabei aber das Zimmer und weniger mich an.
«Nein, es tut Ihnen nicht leid», sagte ich.
Sie machte nun einen kleinen Rundgang, spähte ins Schlaf zimmer und ins Bad. Sie bewegte sich mit einer lässigen An mut und so selbstsicher wie eine Frau, die an das ständige Gefühl gewöhnt ist, daß ein Mann ihren Hintern anstarrt.
«Sie haben recht», grinste sie. «Es tut mir überhaupt nicht leid. Wissen Sie, diese Bude ist gar nicht so übel, wie ich ge dacht hatte.»
«Wissen Sie, wie spät es ist? »
«Sehr spät.» Sie kicherte. «Ihre Wirtin war von mir über haupt nicht beeindruckt. Also mußte ich ihr erzählen, ich sei Ihre Schwester und den ganzen Weg von Berlin hergekom men, um Ihnen eine schlechte Nachricht zu bringen.» Sie kicherte noch einmal.
« Und, Schwesterchen? »
Sie warf kurz die Lippen auf. Aber das war nur Theater.
Sie amüsierte sich immer noch zu sehr über sich selbst, um Anstoß zu nehmen. «Als sie mich fragte, wo mein Gepäck wäre, sagte ich, die Russen hätten es im Zug gestohlen. Sie war unheimlich mitfühlend und wirklich ganz reizend. Ich hoffe, Sie werden mich nicht anders behandeln.»
«So? Ich dachte, deshalb wären Sie hier. Oder macht Ihnen die Sitte wieder Ärger? »
Sie überging die Beleidigung, immer vorausgesetzt, daß sie überhaupt hingehört hatte. «Nun, ich war gerade auf dem Heimweg von der Flotten-Bar - die ist in der Mariahilfer Straße, kennen Sie die? »
Ich sagte nichts. Ich zündete mir eine Zigarette an und klemmte sie in einen Mundwinkel, um mich davon abzuhal ten, sie anzufauchen.
«Jedenfalls ist es nicht weit von hier. Und ich dachte, ich sollte mal reinschauen. Sie wissen doch ... ", ihre Stimme wurde leiser und verführerischer ... », «ich hatte noch keine Gelegenheit, Ihnen zu danken, richtig zu danken ... » Die letzten Worte ließ sie ein paar Sekunden in der Luft hängen, und ich wünschte plötzlich, ich hätte einen Morgenmantel an.
« ... , daß sie mich aus dieser kleinen Schererei mit den Iwans rausgeholt haben.» Sie löste das Band ihrer Jacke und ließ sie zu Boden gleiten. «Wollen Sie mir nicht trotzdem was zu trinken anbieten? »
«Ich würde sagen, Sie haben genug.» Aber ich holte den noch zwei Gläser.
«Hätten Sie nicht Spaß dran, das selber festzustellen?» Sie lachte ungezwungen und setzte sich, alles andere als unsicher auf den Beinen. Sie sah wie der Typ aus, der das Zeug in die Vene einsaugte und trotzdem ohne Schluckauf auf einem Kreidestrich balancieren konnte.
«Möchten Sie was reinhaben ?» Ich hielt das Glas Wodka in die Höhe, als ich das fragte.
«Vielleicht», sagte sie nachdenklich, «nachdem ich ausge trunken habe.»
Ich reichte ihr das Glas und schüttete meinen Wodka rasch herunter, um nicht schwach zu werden. Ich nahm noch einen tiefen Zug aus meiner Zigarette und hoffte, das werde mir Kraft geben, sie hinauszuwerfen.
«Was ist los?» fragte sie fast triumphierend. «Mache ich Sie nervös, oder ist es was anderes? »
Ich schätze, es war vermutlich das andere. «Nicht mich», sagte ich, «nur meinen Schlafanzug. Er ist an gemischte Ge sellschaft nicht gewöhnt.»
«So wie es aussieht, würde ich sagen, er ist eher daran ge wöhnt, aufgemischt zu werden.» Sie nahm sich eine von meinen Zigaretten und blies mir einen Rauchfaden direkt in die Leistengegend.
« Ich könnte ihn ausziehen, wenn er Sie stört», sagte ich einfältig.
Meine Lippen waren trocken, als ich wieder an meiner Zi garette zog. Wollte ich, daß sie ging, oder nicht? Ich würde mich nicht gerade gut dabei machen, wenn ich sie an einem ihrer vollkommen geformten Ohren rausschmiß.
«Plaudern wir doch erst ein bißchen. Warum setzen Sie sich nicht? »
Ich nahm Platz, erleichtert, daß ich mich in der Mitte noch biegen konnte.
«In Ordnung», sagte ich, «wie wär's, wenn Sie mir erzäh len, wo Ihr Freund heute nacht ist? »
Sie zog eine Grimasse. «Kein gutes Thema, Perseus.
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