Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
Möglicherweise ihr Hauptquar tier hier in Wien, ich bin nicht sicher. Groß genug dafür ist es bestimmt. »
«Gut. Haben Sie was von Müller gesehen?» «Nein, aber ich sah jemand anderen.»
«Ja? Und wer war das?» Belinskys Stimme wurde gleichmütig.
«Arthur Nebe.»
«Nebe? Sind Sie sicher?» Jetzt war er aufgeregt. «Natürlich bin ich sicher. Ich kannte Nebe schon vor dem Krieg. Ich dachte, er sei tot. Aber ich habe heute nachmittag fast eine Stunde mit ihm gesprochen. Er wollte, daß ich Kö nig helfe, unseren Freund, den Zahnarzt, zu finden, und morgen früh wieder nach Grinzing komme, um über Ihre russischen Liebesbriefe zu diskutieren. Ich habe so ein Ge fühl, daß Müller dort sein wird.»
«Wie haben Sie das herausbekommen? »
«Nebe sagte, es werde jemand da sein, der für alles, was mit dem KGB zusammenhänge, Spezialist sei.»
«Ja, da diese Beschreibung von Nebe kommt, könnte sie gut auf Müller passen. Wann findet das Treffen statt? »
« Um zehn Uhr.»
«Dann habe ich nur noch diese Nacht, um alles zu orga nisieren. Lassen Sie mich eine Minute nachdenken.» Er schwieg so lange, daß ich mich fragte, ob er noch am Appa rat war. Doch dann hörte ich ihn tief Luft holen. «Wie weit ist das Haus von der Straße entfernt? »
«Im Norden an der Vorderseite etwa zwanzig, dreißig Me ter. Hinter dem Haus im Süden ist ein Weingarten. Wie weit die Straße auf dieser Seite entfernt ist, konnte ich nicht fest stellen. Zwischen dem Haus und dem Weingarten steht eine Baumreihe. Und auch ein paar Nebengebäude.» Ich be schrieb ihm das Haus, so gut ich konnte.
< « Nein, aber ich kam im ersten Stock an einer vorbei.
Wenn das Treffen in der Bibliothek stattfindet, wo ich mit Nebe sprach, wird man diese Toilette benutzen. Sie liegt nach Norden, in Richtung josefstadt und Straße. Und sie hat ein Fenster mit einem beigen Rolladen. Den könnte ich vielleicht benutzen, um Ihnen ein Zeichen zu geben.»
Wiederum schwieg er einen Augenblick. Dann sagte er: « Zwanzig Minuten nach zehn, oder sobald es sich einrichten läßt, gehen Sie auf die Toilette. Wenn Sie drin sind, ziehen Sie den Rolladen runter, zählen fünf Sekunden ab und schieben ihn für fünf Sekunden wieder hoch. Das machen Sie dreimal. Ich werde das Haus mit dem Fernrohr beobachten, und wenn ich Ihr Zeichen sehe, werde ich dreimal hupen. Das wird das Signal für meine Männer sein, vorzurücken. Darauf gehen Sie wieder zu den anderen, machen keinen Mucks und warten auf die Kavallerie.»
« Hört sich ganz einfach an. Eigentlich ein bißchen zu ein fach.»
« Hören Sie, Kraut, ich könnte auch vorschlagen, daß Sie ihren Arsch aus dem Fenster hängen und pfeifen, aber das könnte Aufmerksamkeit erregen.» Er lachte gereizt. « Für eine Razzia wie diese ist ein Haufen Papierkram not wendig, Gunther. Ich muß Decknamen ausarbeiten und alle möglichen Sondergenehmigungen für einen größeren Einsatz einholen. Und es wird eine Untersuchung geben, wenn sich herausstellt, daß die ganze Chose falscher Alarm war. Ich hoffe, daß Sie sich bei Müller nicht irren. Immerhin muß ich die ganze Nacht aufbleiben, um diese kleine Vergnügungs tour zu organisieren.»
« Da bleibt mir wirklich die Spucke weg», sagte ich. « Ich bin doch derjenige, der seinen Hals riskiert, und Sie meckern über ein bißehen Sand im bürokratischen Getriebe. Mir kommen wirklich die Tränen, wenn ich von Ihrem verdamm ten Papierkrieg höre.»
Belinsky lachte. « Kommen Sie, Kraut. Regen Sie sich wie der ab. Ich habe nur gemeint, es wäre ganz hübsch, wenn wir sicher sein könnten, daß Müller dort ist. Seien Sie vernünftig. Wir wissen immer noch nicht mit Sicherheit, ob er am Auf bau der Org in Wien beteiligt ist.»
«Natürlich wissen wir das», log ich. «Heute morgen ging ich ins Polizeigefängnis und zeigte Emil Becker ein Foto von Müller. Er hat ihn auf der Stelle als den Mann identifiziert, der bei König war, als der ihn bat, Hauptmann Linden zu su chen. Sofern Müller nicht bloß in König verliebt ist, bedeutet das, daß er Mitglied der Wiener Sektion
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