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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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der Org ist.»
    «Mist», sagte Belinsky, «warum bin ich darauf nicht ge kommen? Es ist so einfach. Er ist sicher, daß es Müller war?»
    «Keinerlei Zweifel.» Ich ließ ihn eine ganze Weile zappeln, bis ich mir seiner sicher war. «Schon gut, regen Sie sich wie der ab. In Wirklichkeit hat Becker ihn mitnichten identifi ziert. Aber er hatte das Foto schon mal gesehen. Traudl Braunsteiner zeigte es ihm. Ich wollte bloß sichergehen, daß sie es nicht von Ihnen hatte.»
    « Sie trauen mir immer noch nicht, Kraut, stimmt's? » «Wenn ich für Sie in den Löwenkäfig gehen soll, habe ich das Recht, Ihnen vorher auf den Zahn zu fühlen.»
    «Ja, aber das schafft die Frage nicht aus der Welt, woher Traudl Braunsteiner ein Bild von Gestapo-Müller hatte.»
    «Von einem Oberst Poroschin vom KGB, schätze ich. Er verschaffte Becker hier in Wien eine Zigaretten-Konzession als Gegenleistung für Informationen und gelegentliche Ent führungen. Als die Org an Becker herantrat, erzählte er Po rosehin alles und erklärte sich bereit, alles rauszufinden, was er konnte. Nach Beckers Verhaftung war Traudl ihr Verbin dungsglied. Sie gab sich nur als seine Freundin aus.»

    «Sie wissen, was das bedeutet, Kraut? »
    «Es bedeutet, daß die Iwans ebenfalls hinter Müller her sind, richtig? »
    «Aber haben Sie bedacht, was geschehen würde, wenn sie ihn kriegen? Ehrlich, die Wahrscheinlichkeit ist gering, daß sie ihm in der Sowjetunion den Prozeß machen werden. Wie ich sagte, hat Müller die sowjetischen Polizeimethoden gründlich studiert. Nein, die Russen wollen Müller, weil er für sie sehr nützlich sein kann. Er könnte ihnen zum Beispiel die Namen aller Gestapoagenten im KGB nennen. Männer, die vermutlich noch immer im KGB aktiv sind.»
    «Dann wollen wir hoffen, daß er morgen da ist.»
    «Und jetzt erzählen Sie mir lieber, wie ich das Haus finde.»
    Ich gab ihm klare Anweisungen und schärfte ihm ein, nicht zu spät zu kommen. «Diese Schweinehunde jagen mir Angst ein », erklärte ich.
    «He, wollen Sie was wissen? Ihr Krauts jagt mir Angst ein.
    Aber nicht so sehr wie die Russen.» Er lachte auf eine Weise, die ich gerade anfing zu mögen. «Wiederhören, Kraut», sagte er, «und viel Glück.» Dann legte er auf, und ich starrte auf den fiependen Hörer mit dem sonderbaren Gefühl, daß die geisterhafte Stimme, mit der ich gerade gesprochen hatte, nur in meiner Einbildung existierte.
    32
    Zur gewölbten Decke des Nachtclubs quirlte Rauch empor wie der dicke Nebel der Unterwelt. Er verdichtete sich zur einsamen Gestalt Belinskys, der wie Bela Lugosi aus dem Friedhof aufstieg, als er auf den Tisch zu schritt, an dem ich saß. Die Band, der ich zugehört hatte, konnte den Takt so gut halten wie ein einbeiniger Steptänzer, aber er schaffte es irgendwie, seine Schritte dem Rhythmus anzupassen, den sie erzeugte. Ich wußte, daß er noch immer wütend war, weil ich an ihm zweifelte, und daß ihm klar war, daß ich gerade jetzt versuchte zu ergründen, wie es dazu gekommen war, daß er nicht daran gedacht hatte, Becker das Foto Müllers zu zeigen. Also war ich nicht überrascht, als er mich bei den Haaren packte, meinen Kopf zweimal auf den Tisch knallte und mir sagte, ich sei ein argwöhnischer Kraut. Ich stand auf und stolperte von ihm fort auf die Tür zu, aber dort ver sperrte mir Arthur Nebe den Ausgang. Seine Anwesenheit traf mich so unerwartet, daß ich vorübergehend unfähig war, mich dagegen zu wehren, daß er mich an bei den Ohren packte und meinen Schädel gegen die Tür hämmerte, und dann noch einmal, um nachzuhelfen, um mir dann zu sagen, wenn ich Traudl Braunsteiner nicht getötet hätte, dann solle ich gefälligst rausfinden, wer es getan hätte. Ich drehte mei nen Kopf aus seinen Händen und sagte, dann könne ich ebensogut raten, ob Rumpelstilzchens Name Rumpelstilz chen sei.
    Ich schüttelte abermals den Kopf, unwillig, und blinzelte angestrengt in die Dunkelheit. Es klopfte wieder an der Tür, und ich hörte eine halb flüsternde Stimme.
    « Wer ist da?» sagte ich, griff nach der Nachttischlampe und dann nach meiner Uhr. Der Name machte keinen Ein druck auf mich, als ich meine Beine aus dem Bett schwang und ins Wohnzimmer ging.
    Ich fluchte immer noch, als ich die Tür ein bißchen weiter öffnete, als die Sicherheit es gebot. Latte Hartmann stand im Flur, im glitzernden Abendkleid und der Pelzjacke, in der Kleidung, die sie auch in der Nacht getragen hatte, als wir uns kennenlernten. Ihre Augen blickten

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