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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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in den Wiener Taxis alt und überholt waren, war es üblich, die angezeigten Gebüh ren mit fünf zu multiplizieren, um den tatsächlichen Zahl be trag zu ermitteln. Das Taxameter zeigte sechs Schilling, als ich den Fahrer halten ließ. Und das war alles, was er ver langte und seine Hand zitterte, als er das Geld nahm. Der Wagen donnerte bereits davon, als mir klar wurde, daß der Fahrer das Rechenexempel vergessen hatte.
    Ich stand da, auf einem schlammigen Pfad neben der Straße, und fragte mich, warum ich meinen Mund nicht ge halten hatte, denn ich hatte die Absicht gehabt, den Mann eine Weile warten zu lassen. Wenn ich Veronika jetzt fand, würde ich vor dem Problem stehen, wegzukommen. Ich und mein großes Maul, dachte ich. Der arme Halunke hat ja bloß seine Dienste angeboten. Aber in einem Punkt hatte er un recht. Es hatte etwas geöffnet, ein Cafe, ein Stück die Ko benzlgasse hinauf: das Rudelshof. Ich kam zu dem Schluß, daß ich es vorziehen würde, etwas im Magen zu haben, wenn man mich schon erschoß.
    Das Cafe war ein gemütliches kleines Fleckchen, wenn man nichts gegen ausgestopfte Tiere hatte. Ich saß unter dem runden, glänzenden Auge eines leberkrank aussehenden Wiesels und wartete darauf, daß der schlecht ausgestopfte Besitzer an meinen Tisch geschlurft kam.
    « Grüß Gott, der Herr», sagte er. « Ein wunderschöner Morgen.»
    Ich schreckte vor seinem Schnapsatem zurück. « Man kann riechen, daß Sie ihn bereits genießen», sagte ich, schon wieder mein loses Mundwerk benutzend. Er zuckte ver ständnislos die Achseln und nahm meine Bestellung entge gen.
    Das Wien er Frühstück für fünf Schilling, das ich herunter würgte, schmeckte so, als habe es der Ausstopfer in der Pause zwischen zwei Arbeiten zubereitet: Im Kaffee war ein Boden satz, das Brötchen sah aus wie eine Elfenbeinschnitzerei, und das Ei war so hart, daß es aus einem Steinbruch hätte stam men können. Aber ich verspeiste alles. Mir ging so viel im Kopf herum, daß ich vermutlich sogar das Wiesel verzehrt hätte, wenn man es mir auf einer Scheibe Toast serviert hätte.
    Nachdem ich das Cafe verlassen hatte, ging ich eine Weile die Straße entlang und kletterte dann über die Mauer in einen Weingarten, der nach meiner Ansicht Arthur Nebe ge hören mußte.
    Es gab nicht viel zu sehen. Die Reben, säuberlich in Reihen gepflanzt, waren noch junge Schößlinge, die mir nur bis zum Knie reichten. Hier und da sah ich Apparate auf hohen Handwagen, die wie ausgebaute Strahltriebwerke aussahen. Es waren die Schnell brenner, die sie nachts benutzten, um die Atmosphäre um die Schößlinge aufzuheizen und sie vor spä tem Frost zu schützen. Sie waren immer noch zu heiß zum Anfassen. Das Feld maß vielleicht hundert Meter im Qua drat und bot wenig Schutz. Ich fragte mich, wie Belinsky es anstellen würde, seine Männer ausschwärmen zu lassen. Wollte man nicht auf dem Bauch über das Feld kriechen, mußte man sich dicht an der Mauer bewegen, wenn man zu der Baumreihe hinter dem gelben Haus und seinen Nebenge bäuden gelangen wollte.
    Als ich die Bäume erreicht hatte, hielt ich nach einem Zei chen von Leben Ausschau, und als ich keines entdeckte, schlich ich weiter, bis ich Stimmen hörte. Neben dem größ ten der Nebengebäude, einem langen Fachwerkbau, der einer Scheune ähnelte, standen zwei Männer, von denen ich keinen kannte, und unterhielten sich. Jeder Mann trug einen Metallkübel auf dem Rücken, der durch einen Gummi schlauch mit einer langen, dünnen Metallröhre verbunden war. Der ganze Apparat diente vermutlich der Schädlingsbe kämpfung.
    Endlich beendeten sie ihre Unterhaltung und setzten sich zur entgegengesetzten Seite des Weinbergs in Bewegung, of fensichtlich, um mit ihrem Sprühmittel den Bakterien, Pilzen und Insekten zu Leibe zu rücken. Ich wartete, bis sie das Feld überquert hatten, bevor ich die Deckung der Mauer verließ und das Gebäude betrat.
    Ein modriger, fruchtiger Geruch stieg mir in die Nase.
    Große Eichenfässer und Lagertanks waren wie riesige Käse unter den offenen Sparren des Daches aufgereiht. Ich ging über den Steinfußboden, kam am anderen Ende wieder her aus und sah mich einem zweiten Gebäude gegenüber, das im rechten Winkel zum Haus stand.
    Das zweite Gebäude enthielt Hunderte von Eichenfässern, die nicht standen, sondern lagen, als warteten sie auf riesige Bernhardinerhunde, die kommen und sie sich aufladen wür den. Eine Treppe führte in die Dunkelheit hinab. Ein geeigneter Ort, um

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