Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
gekreuzten Beinen auf einem Stuhl, die Arme vor der Brust verschränkt. Er sah aus wie ein Mann, der sich eine Sprechprobe anhören will. Neben ihm, und er heblich weniger entspannt wirkend als der frühere Gestapo chef, saß Nebe. Ihm zur Seite König, der ein sauberes Hemd trug und sich ein Taschentuch vor Nase und Mund hielt, als leide er an einem Anfall von Heuschnupfen. Auf dem Stein boden zu ihren Füßen lag Veronika. Sie war bewußtlos und bis auf den Verband um ihr Knie völlig nackt. Sie war wie ich mit Handschellen gefesselt, wenngleich ihre Totenblässe dar auf schließen ließ, daß das eine völlig überflüssige Vorsichts maßnahme war.
Ich drehte meinen Kopf nach rechts. Ein paar Meter ent fernt standen der Lette und ein anderer Schläger, den ich nicht kannte. Der Lette grinste aufgeregt, ohne Zweifel in der Erwartung, mich weiter gedemütigt zu sehen.
Wir befanden uns im größten der Nebengebäude. Hinter den Fenstern blickte die Nacht mit dunkler Teilnahmslosig keit auf die Szene. Von irgendwo konnte ich das leise Pochen eines Generators hören. Jede Bewegung meines Halses oder Kopfes verursachte mir Schmerzen, und es war wirklich an genehmer, den Blick wieder auf Müller zu richten.
«Fragen Sie, was Sie wollen», sagte ich, «aus mir werden Sie nichts rauskriegen. » Doch schon als ich das sagte, war mir klar, daß ich in Müllers versierten Händen nicht mehr Chancen hatte, ihm nichts zu erzählen, als den Namen des nächsten Papstes zu nennen.
Er fand meine Prahlerei so absurd, daß er lachte und den Kopf schüttelte. «Es ist zwar ein paar Jahre her, seit ich ein Verhör durchgeführt habe», sagte er beinahe wehmütig, «aber ich denke, Sie werden feststellen, daß ich meine Subti lität nicht eingebüßt habe.»
Müller blickte Nebe und König an, als erheische er ihre Zustimmung, und beide nickten grimmig.
«Ich wette, Sie haben Preise dafür bekommen, Sie aufge blasenes Schwein.»
Bei diesen Worten sah sich der Lette veranlaßt, mir einen harten Schlag auf die Wange zu versetzen. Als mein Kopf plötzlich herumgerissen wurde, durchzuckte mich ein qual voller Schmerz bis in die Zehennägel und ließ mich auf schreien.
«Nein, nein, Rainis», sagte Müller wie ein Vater zu einem Kind, «wir müssen Herrn Gunther erlauben zu reden. Jetzt mag er uns beleidigen, doch am Ende wird er uns alles erzäh len, was wir wissen wollen. Bitte, schlage ihn nicht wieder, es sei denn, ich befehle es dir.»
Nebe sprach. «Es hat keinen Zweck, Berni. Fräulein Zartl hat uns erzählt, wie Sie und dieser Amerikaner die Leiche des armen Heim beseitigt haben. Ich wunderte mich schon, warum Sie sich so eindringlich nach ihr erkundigten. Jetzt wissen wir es.»
< «Ihre Fotos, Heinrich. Ich nehme an, daß der Amerikaner sie ihm gegeben hat. Was sagen Sie dazu, Berni? »
« Fahren Sie zur Hölle.»
Nebe fuhr ungerührt fort. «Ich fand auch eine Zeichnung von Martin Albers' Grabstein. Erinnern Sie sich an diese un glückliche Geschichte, Herr Doktor? »
«Ja », sagte Müller, «das war sehr unüberlegt von Max.» «Meiner Ansicht nach müssen Sie geahnt haben, daß Max Abs und Martin Albers ein und dieselbe Person waren, Berni. Er war ein altmodischer, ziemlich sentimentaler Mann. Er konnte einfach nicht so tun, als sei er tot, so wie wir anderen. Nein, er mußte einen Stein haben, der an sein Hinscheiden erinnerte, um ihm einen Anschein von Würde zu geben. Wirklich, ein typischer Wiener, meinen Sie nicht? Ich würde denken, Sie waren wahrscheinlich die Person, die der Münchner MP den Tip gab, daß Max dort eintreffen würde. Sie konnten natürlich nicht wissen, daß Max einen ganzen Satz von Papieren und Reisegenehmigungen bei sich trug. Se hen Sie, Dokumente waren die Spezialität von Max. Er war ein miserabler Fälscher. Als früherer Chef der Abteilung Ge heimoperationen des SD in Budapest war er einer der besten in seinem Fach.»
«Ich nehme an, er war ein weiterer falscher Verschwörer gegen Hitler», sagte ich. «Ein weiterer gefälschter Eintrag in die Liste derer, die hingerichtet wurden. Genau wie Sie,
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