Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
der's getan hat.»
«Sie haben ihn? Das ist eine gute Nachricht. Wer ist es? » «Irgendein Österreicher.»
«Aber warum hat er's getan? Hat er's gesagt? »
«Nein, ein Verrückter, schätze ich. Übrigens, wie haben Sie Captain Linden kennengelernt? »
«In einem Nachtclub. Heißt Zum anderen Ufer.»
«Ja, kenne ich. Bin selber nie dort gewesen. Ich geh lieber in die Schuppen am Ku'damm: Ronny's Bar und Club Royale. Aber Linden ging ziemlich oft in die Fröhliche Insel. Hatte 'ne Menge deutsche Freunde, schätz ich, und dorthin gingen sie immer.»
«Ja, und er sprach so gut Deutsch.» «Stimmt, Sir. Als wär er hier geboren.»
«Meine Frau und ich wunderten uns immer, warum er keine feste Freundin hatte. Wir haben ihm sogar angeboten, ihn mit ein paar netten Mädchen aus guten Familien bekannt zu machen.»
Der Soldat zuckte die Achseln. «Zu beschäftigt, nehme ich
an.»
Er grinste. «Hatte bestimmt 'ne Menge andere. Der Mann hielt viel vom Fraternisieren, das kann ich Ihnen sagen.» Nach einem Augenblick wurde mir klar, daß «fraternisie ren» in der Sprache der Soldaten das war, was ein anderer amerikanischer Offizier mit meiner Frau trieb.
Ich drückte prüfend mein Knie und stand auf.
«Sind Sie sicher, daß Sie jetzt wieder okay sind?» fragte der Soldat.
«Ja, ich danke Ihnen. Sie sind überaus freundlich gewe sen.»
«Vergessen Sie's. Jeder Freund von Captain Linden ... »
8
Ich erkundigte mich nach den Drexlers im Postamt Steglitz am Sintenisplatz, einem stillen, friedlichen Platz, früher mit Rasen bewachsen, auf dem man jetzt Gemüse anbaute.
Die Postbeamtin, eine Frau mit zwei riesigen ionischen Locken auf jeder Schläfe, setzte mich kurz angebunden da von in Kenntnis, daß ihrem Amt die Drexlers bekannt seien und diese, wie die meisten Leute in der Gegend, ihre Post vom Postamt abholten. Darum, erklärte sie, sei ihr die ge naue Adresse in der Handjerystraße nicht bekannt. Doch sie setzte hinzu, die gewöhnlich beträchtliche Post der Drexlers sei inzwischen noch angewachsen, da es bereits einige Tage her sei, daß sie sich dazu bequemt hätten, sie abzuholen. Sie benutzte das Wort « bequemen» mit deutlicher Abneigung, und ich fragte mich, ob es einen bestimmten Grund gab, warum sie die Drexlers nicht mochte. Mein Angebot, den Drexlers ihre Post zu bringen, wurde schroff zurückgewie sen. Das wäre gegen die Vorschriften gewesen. Doch sie sagte mir, ich könne sie gewiß daran erinnern, zu kommen und sie zu holen, da eine solche Menge zu einer Last werde. Ich be schloß, es als nächstes auf dem Polizeipräsidium Schöne berg in der nahen Grunewaldstraße zu versuchen. Auf dem Weg dahin, unter dem unbehaglichen Schatten grünschimmliger Mauern, die sich nach vorn neigten, als stünden sie dauernd auf Zehenspitzen, vorbei an sonst unversehrten Gebäuden, denen bloß eine Balkonecke fehlte wie die Verzierung einer unerlaubt gekosteten Hochzeitstorte, passierte ich den Nachtclub Zum anderen Ufer, in dem Becker Captain Lin den getroffen haben sollte. Es war ein öder, trostlos ausse hender Laden mit einer billigen Neonreklame, und ich war beinahe froh, daß er geschlossen hatte. Der diensthabende Polizist auf dem Polizeipräsidium hatte ein Gesicht, das so lang war wie der Daumennagel eines Mandarins, aber er war von der gefälligen Sorte, und während er das Melderegister zu Rate zog, erzählte er mir, die Drexlers seien der Polizei von Schöneberg nicht unbekannt.
«Ein jüdisches Ehepaar», erklärte er. « Anwälte. In der Gegend ziemlich bekannt. Man könnte vielleicht sogar sagen berüchtigt. »
« So? Warum das? »
«Es ist nicht so, daß sie gegen die Gesetze verstoßen wür den, verstehen Sie.» Die Wurstfinger des Wachtmeisters fan den den Namen und fuhren quer über die Seite zur Straße und Hausnummer. «Da haben wir's. Handjerystraße Num mer siebzehn.»
«Danke, Wachtmeister. Also was ist mit ihnen? »
«Sind Sie ein Freund der Drexlers?» fragte er vorsichtig. «Nein, bin ich nicht.»
«Nun, es ist bloß so, daß die Leute solche Sachen nicht mögen. Sie wollen vergessen, was passiert ist. Ich glaube nicht, daß es war nützt, auf diese Art in der Vergangenheit herumzustochern. »
«Verzeihung, Wachtmeister, aber was machen sie genau?» «Sie jagen sogenannte Nazi-Kriegsverbrecher.»
Ich nickte. «Ja, jetzt verstehe ich, warum sie bei ihren Nachbarn nicht sehr beliebt sind.»
«Es war falsch, was passiert ist. Aber wir müssen wieder aufbauen, von neuem
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