Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
Ende des Wasserkäfersteigs, einer mit Kopfsteinen gepflasterten Sackgasse. Hinter einem Stacheldrahtzaun um faßte das Center eine Anzahl von Gebäuden, doch der wich tigste Teil schien ein zweigeschossiges Bauwerk am Ende eines ansteigenden Pfades zu sein, weiß gestrichen und mit grünen Fensterläden. Es war ein anheimelndes Fleckchen, obgleich mir ziemlich rasch wieder einfiel, daß es sich um das Hauptquartier des alten Forschungsamtes handelte - die Ab hörzentrale der Nazis. Der Soldat am Pförtnerhaus, ein gro ßer, zahnlückiger Neger, beäugte mich argwöhnisch, als ich an seinem Kontrollpunkt stehenblieb. Vermutlich war er mehr daran gewöhnt, sich mit Leuten in Autos oder Militär fahrzeugen zu befassen als mit einem einsamen Fußgänger.
«Was willst du, Fritz?» fragte er, schlug die Wollhand schuhe zusammen und stampfte mit den Füßen, um sich warm zu halten.
< Der Soldat schlug auf der Stelle einen anderen Ton an. «Ja, Sir. Ich werde ihm den Brief geben.» Er nahm den Brief und betrachtete ihn verlegen. «Sehr freundlich von Ihnen, an ihn zu denken.»
«Es sind bloß ein paar Mark für Blumen», sagte ich mei nen Kopf schüttelnd. «Und eine Karte. Meine Frau und ich wollten etwas auf Captain Lindens Grab legen. Wir wären zur Beerdigung gegangen, wenn sie in Berlin gewesen wäre, aber wir dachten, seine Familie würde ihn nach Hause brin gen lassen.»
«Aber nein, Sir», erwiderte er. «Die Beerdigung ist in Wien am Freitag morgen. Die Familie wollte es so. Weniger Aufwand, als die Leiche nach Hause transportieren zu las sen, schätze ich.»
Ich zuckte die Achseln. «Wien. Für einen Berliner ist das genauso weit wie Amerika. Heutzutage ist das Reisen nicht einfach.» Ich seufzte und warf einen Blick auf meine Uhr. «Ich mache mich jetzt besser auf die Strümpfe. Ich habe noch einen ziemlich weiten Weg vor mir.»
Als ich mich umdrehte, um wegzugehen, stöhnte ich, um klammerte mein Knie, verzog das Gesicht zu einer Grimasse und plumpste just vor den Schlagbaum auf die Straße, wäh rend mein Stock neben mir auf das Pflaster klapperte. Eine gelungene Vorstellung. Der Soldat kam hinter den Schlag baum hervor.
«Sind Sie in Ordnung?» fragte er, hob meinen Stock auf und half mir auf die Füße.
« Ein Stück von einem russischen Schrapnell. Es macht mir hin und wieder zu schaffen. In einer Minute oder zwei bin ich wieder okay.»
«He, kommen Sie ins Pförtnerhaus, und setzten Sie sich ein paar Minuten.» Er führte mich um den Schlagbaum herum und durch die kleine Tür seines Unterstandes. «Danke. Das ist sehr freundlich von Ihnen.»
«Keine Ursache. Jeder Freund von Captain Linden ... » Ich setzte mich schwerfällig hin und rieb mein fast
schmerzfreies Knie. «Haben Sie ihn gut gekannt? »
«Ich? Ich bin nur ein GI. Kann nicht sagen, daß ich ihn kannte, aber hin und wieder hab ich ihn gefahren.»
Ich lächelte und schüttelte den Kopf. «Könnten Sie ein we nig langsamer sprechen, bitte? Mein Englisch ist nicht so gut.»
«Ich habe ihn hin und wieder gefahren», sagte der Soldat lauter, und er machte das Drehen eines Lenkrades nach. «Sie sagen, er gab Ihnen PX-Sachen? »
«Ja, er war sehr freundlich.»
«Ja, das hört sich ganz nach Linden an. Hatte immer jede Menge PX zu verschenken.» Er hielt inne, als ihm etwas ein fiel. «Da war ein bestimmtes Ehepaar - na ja, er war für sie wie ein Sohn. Brachte ihnen immer Carepakete. Vielleicht kennen Sie die Leute. Die Drexlers? »
Ich runzelte die Stirn und rieb mir grübelnd das Kinn. «Doch nicht das Ehepaar, das in ... » Ich schnippte mit den Fingern, als liege mir der Straßenname auf der Zunge - «wo war das bloß? »
«Steglitz », sagte er, um mir auf die Sprünge zu helfen. «Handjerystraße. »
Ich schüttelte den Kopf. « Nein, ich muß an jemand ande ren gedacht haben. Tut mir leid.»
« He, nicht der Rede wert.»
« Ich schätze, die Polizei muß Ihnen wegen des Mordes an Captain Linden eine Menge Fragen gestellt haben.»
«Nein. Sie haben uns nichts gefragt, weil sie den Burschen
schon haben,
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