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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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vorstellen, wie ich sein würde, wenn ich Ihnen anders vorgekommen wäre», sagte ich an züglich. «Aber was Sie sagen, ist eine ziemlich genaue Be schreibung von vor acht Jahren.»
    «So lange ist das her? Seit wir uns das letzte Mal gesehen haben? »
    « Dazwischen liegt ein Weltkrieg. Horchen Sie noch immer an Schlüssellöchern? »
    «Herr Gunther, Sie haben keine Ahnung», schnaubte er. «Ich bin Gefängniswärter in Tegel.»
    «Ich glaube es nicht. Sie? Sie sind doch ein ganz krummer Hund.»
    «Ehrlich, Herr Gunther, es stimmt. Die Amis haben mich
    geholt, um Nazi-Kriegsverbrecher zu bewachen.» «Und Sie sind die Zwangsarbeit, stimmt's?» Neumann zwinkerte wieder.
    «Da kommt Ihr Bier.»
    Der Kellner stellte das Glas vor ihn hin. Ich setzte zum Sprechen an, aber die Amerikaner am Nebentisch brachen in lautes Gelächter aus. Der eine von ihnen, ein Sergeant, sagte noch etwas, und dieses Mal lachte sogar Neumann.

    «Er sagte, daß er nichts vom Fraternisieren hält», erklärte Neumann. «Er sagte, daß er ein Fräulein nicht so behandelt, wie er's mit seinem Bruder macht.»
    Ich lächelte und blickte zu den Amerikanern hinüber.
    «Haben Sie in Tegel Englisch gelernt?» «Klar. Ich lerne viele Dinge.»
    «Sie waren immer ein guter Informant.»
    «Zum Beispiel », er senkte die Stimme, «hörte ich, daß die Sowjets einen britischen Militärzug an der Grenze gestoppt und zwei Waggons abgehängt haben, in denen deutsche Fahrgäste saßen. Man munkelt, daß es eine Vergeltungsmaß nahme für die Einrichtung der Bi-Zone war.» Er meinte die Verschmelzung der britischen und der amerikanischen Zone Deutschlands. Neumann nahm einen Schluck Bier und zuckte die Achseln. «Vielleicht gibt es einen neuen Krieg.»
    «Ich wüßte nicht, wie», sagte ich. «Niemand ist scharf auf eine neue Kostprobe.»
    «Weiß nicht. Vielleicht.»
    Er stellte sein Glas ab und zog eine Büchse Schnupftabak heraus, die er mir anbot. Ich schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht, als ich sah, wie er sich eine Prise unter die Nase schob. «Sind Sie im Krieg im Einsatz gewesen? »
    «Kommen Sie, Neumann, Sie sollten es besser wissen. Nie mand stellt in diesen Zeiten so eine Frage. Habe ich Sie etwa gefragt, wie Sie zu Ihrer Entnazifizierungsurkunde gekom men sind?»
    «Sie müssen wissen, daß ich sie ganz rechtmäßig bekom men habe.» Er fischte seine Brieftasche heraus und entfaltete ein Blatt Papier. « Ich war nie in irgendwas verwickelt. Frei von Nazi-Infizierung, steht hier, und das bin ich auch, und ich bin stolz darauf. Ich war nicht mal bei der Wehrmacht.»
    «Bloß weil man Sie nicht haben wollte.»
    «Frei von Nazi-Infizierung», wiederholte er wütend. «Muß ungefähr das einzige sein, womit Sie sich nie infiziert haben.»

    «Was machen Sie überhaupt hier?» fragte er zurück. «Ich komme gern ins Andere Ufer.»
    « Ich habe Sie noch nie hier gesehen, und ich verkehre hier schon eine Weile.»
    «Ja, so sieht der Laden auch aus, daß Sie sich hier wohl fühlen. Aber wieso können Sie sich das leisten mit dem Lohn eines Gefängniswärters?»
    Neumann zuckte ausweichend die Achseln.
    «Sie müssen eine Menge Gefälligkeiten tun», tastete ich mich vor.
    «Nun, das muß man, nicht wahr.» Er lächelte dünn. «Ich wette, Sie sind wegen eines Falles hier, oder? »
    «Schon möglich.»
    «Ich kann Ihnen vielleicht helfen. Wie ich sagte, ich komme oft her.»
    «Also gut.» Ich nahm meine Brieftasche heraus und hielt einen Fünfdollarschein hoch. «Haben Sie je von einem Mann namens Eddy Hall gehört? Er kommt gelegentlich her. Er ist in der Anzeigen- und Werbebranche. Eine Firma na mens Reklame- und Werbezentrale.»
    Neumann schluckte und starrte trübe auf den Geldschein. «Nein », sagte er zögernd. «Ich kenne ihn nicht. Aber ich könnte mich mal umhören. Der Barmann ist ein Freund. Vielleicht ... »
    «Hab ich schon versucht. Ist nicht sehr redselig. Aber nach dem, was er sagte, glaube ich nicht, daß er Hall kannte.»
    « Diese Anzeigenfritzen. Wie hießen die doch noch?» «Reklame- und Werbezentrale. Sie sind in der Wilmers dorfer Straße. Ich war heute nachmittag dort. Wie man mir sagte, hält sich Herr Eddy Hall im Büro der Muttergesell schaft in Pullach auf.»
    «Nun ja, vielleicht ist er ja dort. In Pullach.»
    «Ich habe nie von dem Kaff gehört. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Zentrale von irgendwas in Pullach ist.» «Nun, da könnten Sie sich irren.»

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